Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
er sich dem Ausgang zu. Es war eine beschämende Entlassung.
    Mir tat Poirot leid. Seine eigene Arroganz konnte es mit der des Herzogs nicht aufnehmen. Für diesen stand ein großer Kriminalist offenbar auf derselben Stufe wie Mistkäfer.
    »Da haben wir schlecht abgeschnitten«, sagte ich mitfühlend. »Was für ein steifnackiger Grobian! Lag Ihnen denn soviel daran, ihn zu sehen?«
    »Ich wollte erfahren, ob er und Jane Wilkinson wirklich heiraten werden.«
    »Sie hat es uns doch gesagt!«
    »Oh, die sagt vieles, wenn es ihren Zwecken dienlich ist. Es hätte doch sein können, dass sie entschlossen war, ihn zu heiraten, und dass er, der Ärmste, noch nichts davon ahnte.«
    »Nun, durch unseren Besuch sind Sie jedenfalls nicht schlauer geworden.«
    »Meinen Sie, mon cher…? Gewiss, er hat mich abgefertigt wie einen lästigen Reporter. Aber trotzdem weiß ich jetzt genau, wie der Hase läuft«, lachte mein Freund.
    »Wodurch? Durch seine Art?«
    »Unsinn! Haben Sie nicht bemerkt, dass wir ihn beim Schreiben störten?«
    »Ja.«
    »Eh bien, als ich in jüngeren Jahren bei der belgischen Polizei arbeitete, lernte ich, wie nützlich es ist, auf dem Kopf stehende Handschriften entziffern zu können. Soll ich Ihnen erzählen, Hastings, was er schrieb? ›Geliebte, ich vermag die entsetzliche Wartezeit kaum zu ertragen. Jane, mein angebeteter, mein schöner Engel, es gibt ja keine Worte, die Dir beschreiben könnten, was Du mir bist. Du, die Du so unsagbar gelitten hast! Deine herrliche Seele –‹«
    »Poirot!«, unterbrach ich ihn entsetzt.
    »Jawohl, so weit war er gekommen: ›Deine herrliche Seele kenne nur ich.‹«
    »Schämen Sie sich, Poirot!«, schrie ich meinen Freund an. »Schämen Sie sich, dass Sie sich so weit vergaßen, einen privaten Brief zu lesen. Das ist kein ehrliches Spiel.«
    »Warum ereifern Sie sich, mein Lieber? Mord ist überhaupt kein Spiel, sondern eine verteufelt ernste Angelegenheit.«
    Ich ging verstimmt neben ihm her.
    »Und unnötig war es überdies«, sagte ich nach einer Weile. »Wenn Sie ihm mitgeteilt hätten, dass Sie Lord Edgware auf Jane Wilkinsons Verlangen aufgesucht hatten, hätte er Ihnen eine ganz andere Behandlung zuteilwerden lassen.«
    »Das konnte ich doch nicht, mon cher. Jane Wilkinson ist meine Klientin, und die Angelegenheiten eines Klienten darf ich keinem Dritten anvertrauen.«
    »Aber sie wird ihn doch heiraten«, erinnerte ich.
    »Bedeutet das etwa, dass sie keine Geheimnisse vor ihm hat? Sie haben sehr unmoderne Ansichten übers Heiraten, Hastings. Nein, was Sie vorschlagen, konnte ich nicht tun. Ich habe meine Detektivehre zu wahren, und die Ehre ist ein sehr heikles Ding.«

19
     
    A m folgenden Morgen saß ich in meinem Zimmer, als Hercule Poirot mit funkelnden Augen die Tür aufriss. » Mon ami, wir haben Besuch.«
    »Wer ist es?«
    »Die Herzoginwitwe.«
    »Wie –? Das klingt ja wie im Märchen. Was führt sie her?«
    »Wenn Sie mich nach unten ins Wohnzimmer begleiten, werden Sie es erfahren.«
    Die Herzogin war eine untersetzte Frau mit hoher Stirn und scharfen Augen, aber ihre Gestalt wirkte keineswegs plump. Auch in dem schlichten schwarzen Kleid war sie ganz die grande dame.
    Sie führte eine Lorgnette an die Augen und studierte erst mich und hierauf meinen Gefährten, an den sie dann das Wort richtete – mit klarer, zwingender, ans Befehlen gewöhnter Stimme.
    »Sie sind Monsieur Hercule Poirot?«
    Mein Freund antwortete mit einer Verbeugung. »Zu Ihren Diensten, Madame la Duchesse.«
    Nun wurde ich das Ziel der herrischen Augen.
    »Das ist mein Freund, Captain Hastings, der mir bei der Bearbeitung meiner Fälle hilft«, erklärte Poirot.
    Sie sah mich ein wenig unschlüssig an und neigte endlich wie zustimmend den Kopf.
    »Ich bin gekommen, um Sie in einer sehr delikaten Angelegenheit um Rat zu fragen«, begann sie, während sie sich gemessen in dem Sessel niederließ, den mein Freund ihr anbot. »Ehe ich jedoch weiterspreche, muss ich Sie um völlige Verschwiegenheit bitten.«
    »Das versteht sich von selbst, Madame.«
    »Lady Yardly erzählte mir so dankbar und so begeistert von Ihnen, dass ich die Überzeugung gewann, Sie seien der einzige, der mir helfen könnte.«
    Sie zauderte, und Poirot half über die Pause hinweg, indem er versicherte: »Madame, ich werde tun, was in meinen Kräften steht.«
    »Also gut!« Und mit einer Direktheit, die mich merkwürdig an Jane Wilkinson in jener denkwürdigen Nacht im Savoy erinnerte, kam sie zur

Weitere Kostenlose Bücher