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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Kneifer in Paris, ein Kneifer in Carlotta Adams’ Handtäschchen…«
    Schließlich war ich soweit, Mrs Widburns Lunch als eine sehr gelegene Zerstreuung zu betrachten.
    Der junge Ross befand sich auch unter den Eingeladenen. Er kam sofort auf mich zu, um mich zu begrüßen, und da Mrs Widburn mehr Herren als Damen gebeten hatte, wurde er mein Tischnachbar. Uns beinahe gegenüber saß Jane Wilkinson und neben ihr der junge Herzog von Merton, während die Hausherrin den Platz an seiner anderen Seite einnahm.
    Bildete ich es mir ein, oder fühlte er sich wirklich unbehaglich? Die Gesellschaft, die ihn umgab, konnte schwerlich seinen Neigungen entsprechen. Streng konservativ, um nicht zu sagen reaktionär, schien der junge Mann durch einen bedauernswerten Irrtum aus dem Mittelalter in unsere heutige Zeit versetzt worden zu sein, und seine Vernarrtheit in die moderne Jane Wilkinson war einer jener anachronistischen Scherze, in denen sich die Natur gefällt.
    Beim Anblick von Janes Schönheit und unter dem Bann ihrer seltsam heiseren Stimme, die auch den abgedroschensten Sätzen einen gewissen Charme verlieh, wunderte mich seine Kapitulation freilich nicht. Aber man kann sich auch an die vollendetste Schönheit und die betörendste Stimme gewöhnen! Es schoss mir durch den Sinn, dass vielleicht gerade eben ein Strahl gesunder Einsicht die Nebel blinder Verliebtheit zerteilte. Eine zufällige Bemerkung – eine ziemlich beschämende Blöße, die sich Jane gab, rief diesen Eindruck hervor. Irgendjemand – wer es war, habe ich vergessen – hatte in der Unterhaltung auf »das Urteil des Paris« Bezug genommen, und gleich darauf meldete sich Jane Wilkinsons köstliche Stimme.
    »Paris?«, sagte sie. »Auf Paris kommt es heutzutage nicht mehr an. Maßgebend sind London und New York.«
    Die Worte fielen, wie es bisweilen vorkommt, als die Unterhaltung gerade stockte. Und dadurch steigerte sich das Peinliche der Lage. Zu meiner Rechten hörte ich Ross einen kurzen, erschreckten Atemzug tun, Mrs Widburn begann eifrig über das russische Ballett zu sprechen. Jedermann sagte hastig irgendetwas zu irgendwem.
    Nur Jane schaute heiter die Tafel hinauf und hinab, ohne sich im Mindesten bewusst zu sein, dass ihr ein böser Schnitzer unterlaufen war.
    Mein Blick fiel auf den Herzog, seine Lippen waren fest zusammengepresst, eine verlegene Röte färbte seine Wangen, und mir wollte es scheinen, als zöge er sich ein paar Zentimeter von Jane zurück. Ihn musste wohl eine Ahnung überkommen haben, dass für einen Mann seiner Stellung die Ehe mit einer Jane Wilkinson manche Widrigkeiten nach sich ziehen konnte.
    In meiner Betroffenheit richtete ich an meine Nachbarin zur Linken, eine adelige Dame, die sich auf dem Gebiet der Kinderfürsorge hervortat, die erste beste Frage. Ich erinnere mich, dass sie lautete: Wer ist diese unglaublich aufgetakelte Frau in Purpurrot dort unten am Ende des Tisches? Natürlich war sie die Schwester meiner Nachbarin! Nachdem ich hundert Entschuldigungen gestammelt hatte, drehte ich mich zur Seite und schwatzte mit Ross, der mir einsilbig antwortete.
    Von links und rechts zurückgewiesen, blickte ich die Tafel entlang und entdeckte Martin Bryan, dessen Anwesenheit mir vorher entgangen war. Er plauderte angeregt mit einer hübschen blonden Frau und sah viel jünger, blühender und gesünder aus als bei unserem letzten Beisammensein.
    Es fehlte mir an Zeit, ihn weiter zu beobachten, denn Hercule Poirot wollte bereits aufbrechen. Er untersuchte neuerdings das seltsame Verschwinden der Stiefel eines ausländischen Diplomaten und hatte für halb drei Uhr eine Verabredung getroffen. Er trug mir auf, ihn wegen seines raschen Aufbruchs bei Mrs Widburn zu entschuldigen.
    Als ich mich dieser nicht leichten Aufgabe – denn die Dame war von Freunden umringt, die in überschwänglichen Worten ihren Dank für die »entzückenden Stunden« ausdrückten – zu entledigen versuchte, berührte jemand meinen Arm.
    Es war Ross. »Ist Monsieur Poirot nicht mehr da?«
    Ich erklärte, dass mein Freund kurz zuvor weggegangen sei, was den jungen Schauspieler sichtlich bestürzte. Als ich ihn daraufhin näher ansah, bemerkte ich die tiefe Erregung, die er kaum zu meistern vermochte.
    »Wollten Sie ihn persönlich sprechen?«, fragte ich.
    Er entgegnete langsam, unschlüssig: »Ich… weiß nicht.«
    Welch wunderliche Antwort.
    »Es klingt verrückt, nicht wahr?«, meinte Ross, der meine Gedanken erraten zu haben schien. »Als

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