Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
Entschuldigung kann ich nur angeben, dass sich etwas ganz Sonderbares ereignet hat, etwas, für dessen Erklärung mein Verstand nicht ausreicht. Ich hätte so gern Monsieur Poirots Ansicht darüber gehört. Weil… ja, sehen Sie, Captain Hastings, ich weiß nicht, was ich machen soll… ich möchte ihn nicht belästigen, aber…«
    Er blickte mich so hilfesuchend, so verzweifelt an, dass ich ihn schnell beruhigte.
    »Poirot musste eine Verabredung einhalten. Um fünf jedoch wollte er zurücksein. Wollen Sie ihn dann nicht anrufen oder selber kommen?«
    »Ah! Besten Dank, Captain Hastings. Ich glaube, ich werde vorbeikommen. Also um fünf?«
    »Telefonieren Sie lieber erst, damit Sie den Weg nicht umsonst machen«, riet ich.
    »Richtig. Verstehen Sie, Hastings, was ich mit ihm besprechen möchte, ist vielleicht von ungeheurer Wichtigkeit.«
    Ich nickte und wandte mich wieder dorthin, wo Mrs Widburn honigsüße Worte und schlaffe Händedrücke verteilte.
    Nachdem ich meiner Pflicht genügt hatte, schlenderte ich durch den Park heimwärts. Gegen vier kam ich zuhaus an. Poirot war noch nicht da, sondern erschien erst zwanzig Minuten vor fünf, vergnügt schmunzelnd.
    »Ich sehe, Sherlock Holmes, dass Sie die diplomatischen Stiefel aufgespürt haben«, sagte ich.
    »Ja. Es handelt sich um einen sehr schlau eingefädelten Kokainschmuggel.«
    Bevor er nähere Erklärungen abgeben konnte, klingelte das Telefon.
    »Das wird Ross sein«, bemerkte ich, während ich zum Apparat ging. »Ihm liegt sehr daran, Sie zu sprechen.«
    Ich legte den Hörer ans Ohr. »Hallo! Hier Captain Hastings.«
    »Ist Monsieur Poirot zurückgekommen?«, fragte Ross’ Stimme.
    »Ja. Wollen Sie die Sache telefonisch erledigen, oder dürfen wir Sie hier erwarten?«
    »Es sind nur ein paar Worte, Captain Hastings. Die kann ich ihm ebensogut telefonisch sagen.«
    »Dann bleiben Sie bitte am Apparat.«
    Poirot nahm mir den Hörer aus der Hand. Ich blieb so dicht neben ihm stehen, dass ich die Stimme des jungen Schauspielers noch schwach vernahm. »Monsieur Poirot? Entschuldigen Sie die Störung. Aber ich möchte Ihnen etwas mitteilen in Bezug auf Lord Edgwares Tod. Etwas Merkwürdiges…«
    Sofort nahmen Hercule Poirots Züge den Ausdruck gespannter Erwartung an.
    »Ihnen wird es wahrscheinlich dumm und unsinnig erscheinen.«
    »Nein, nein. Sagen Sie es mir trotzdem.«
    »Als man heute bei Tisch von Paris sprach, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Sehen Sie, Monsieur…« Schwach hörte ich den hellen Ton einer Klingel.
    »Eine Sekunde«, bat Ross. Dann kam das dumpfe Geräusch des aus der Hand gelegten Hörers über die Leitung.
    Wir warteten. Poirot am Telefon, ich neben ihm. Zwei Minuten vergingen… drei… vier… fünf Minuten.
    Unbehaglich bewegte Poirot die Füße. Jetzt sah er auf die Uhr.
    »Die Verbindung besteht nach wie vor«, wandte er sich zu mir, »und der Hörer ist am anderen Ende noch nicht wieder aufgelegt worden. Schnell, Hastings, schlagen Sie Ross’ Adresse im Telefonbuch nach. Wir müssen sofort zu ihm fahren.«

26
     
    W enige Minuten später sprangen wir in ein Taxi.
    »Ich fürchte, Hastings«, sagte Poirot, dessen Gesicht sehr ernst war, »ich fürchte – «
    »Sie glauben doch nicht etwa…«, unterbrach ich.
    »Wir haben es mit einem Gegner zu tun, der bereits zweimal zum Schlag ausholte und der auch vor dem dritten Schlag nicht zurückweichen wird. Er windet und dreht sich wie eine um ihr Leben kämpfende Ratte, mon ami. Ross ist eine Gefahr, und deshalb wird er ausgeschaltet werden.«
    »Ob das, was er Ihnen sagen wollte, wirklich so wichtig war?«, fragte ich zweifelnd.
    »Ungeheuer wichtig anscheinend.«
    »Aber wie konnte das jemand wissen?«
    »Hastings, Sie haben mir gesagt, dass sich, als er mit Ihnen sprach, ringsum Leute befanden. Solche Verrücktheit, solch himmelschreiende Verrücktheit! Ah, weshalb nahmen Sie ihn nicht mit sich, weshalb hüteten Sie ihn nicht, weshalb sperrten Sie ihn nicht gegen jedermann ab, bis ich ihn angehört hatte?«
    »Ich ahnte doch nicht …«, stammelte ich.
    »Richtig. Quälen Sie sich nicht mit Vorwürfen – Sie konnten es wirklich nicht wissen. Ich aber, ich hätte es gewusst. Der Mörder, Hastings, ist so verschlagen und so unbarmherzig wie ein Tiger… Mein Gott, werden wir denn niemals ankommen?«
    Schließlich hielt das Auto. Ross wohnte in der ersten Etage eines großen Häuserblocks in Kensington. Die Haustür stand offen, und kein Portier gab auf die Ein- und

Weitere Kostenlose Bücher