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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Ausgehenden Acht.
    »Besser könnte er sich’s gar nicht wünschen«, murmelte Poirot, als er die Treppe hinaufrannte.
    Im ersten Stock war an einer schmalen Korridortür mit Yale-Schloss Ross’ Visitenkarte befestigt.
    Wir lauschten. Überall herrschte tiefstes Schweigen.
    Als ich gegen die Tür stieß, gab sie zu meiner Überraschung nach. Vor uns lag eine kleine Diele, rechts eine offenstehende Tür. Geradeaus führte eine gleichfalls offene Tür in ein Wohnzimmer, hübsch, aber billig möbliert. Auf einem kleinen Tischchen lag der Telefonhörer – nicht auf der Gabel, sondern neben dem Apparat.
    Poirot warf einen raschen Blick durch den leeren Raum und machte kehrt.
    »Hier nicht. Kommen Sie, Hastings.«
    Wir gingen durch die Diele zurück und betraten das andere Zimmer. An der Schmalseite des Esstisches saß Ross. Nein, er saß nicht, sondern hing vielmehr auf der Stuhlkante, während sein Oberkörper quer über die Tischplatte gefallen war.
    Mein Freund beugte sich zu ihm hinab.
    »Er ist tot«, sagte er, als er sich wieder aufrichtete. »Tot… Stich in den Nacken.«
     
    Der Ankunft der Polizei, dem Verhör der übrigen Hausbewohner, all den hunderterlei Einzelheiten der routinemäßigen Amtshandlung, die ein Mord nach sich zieht, hatte Poirot geistesabwesend beigewohnt – einen fernen, nachdenklichen Blick in den Augen.
    Als ich spätabends daheim in bittere Selbstvorwürfe ausbrach, fiel mir Poirot ins Wort:
    »Wir haben keine Zeit, uns in Bedauern und Vorwürfen zu ergehen, Hastings«, sagte er. »Keine Zeit zu sagen: ›Wenn‹. Der arme junge Mann wollte uns etwas eröffnen, und wie wichtig das war, beweist die traurige Tatsache, dass er getötet worden ist. Da er nun nicht mehr sprechen kann, müssen wir es erraten, obwohl wir nur über einen winzigen Fingerzeig verfügen.«
    »Paris«, meinte ich.
    »Ja, Paris.« Er stand auf und begann, im Zimmer hin und her zu wandern. »Nicht zum ersten Mal stolpern wir über dieses Wort. Es ist in den Deckel der Golddose eingraviert. Im November vergangenen Jahres war Miss Adams in Paris. Ross vielleicht ebenfalls. War auch noch ein dritter dort, den Ross kannte und den er unter etwas seltsam anmutenden Umständen mit Miss Adams zusammen sah?
    Ferner haben wir im Zusammenhang mit Paris die ältere Frau mit dem Kneifer, die die Dose bei dem Juwelier abholte. War sie Ross bekannt? Auch der Herzog von Merton weilte zur Zeit des Verbrechens in Paris. Paris, Paris, Paris. Lord Edgware beabsichtigte eine Reise dorthin – ah, hat man ihn etwa getötet, um diese Reise zu verhindern?«
    Er nahm wieder Platz, die Brauen grübelnd zusammengezogen.
    »Was ereignete sich bei Mrs Widburns Lunch?«, murmelte er. »Bei irgendeinem gelegentlichen Wort oder Satz muss dem jungen Ross die Bedeutung von dem, was er wusste und das er bislang als unbedeutend erachtete, aufgegangen sein. Drehte sich die Unterhaltung um Frankreich? Um Paris? An Ihrem Tischende, meine ich, Hastings.«
    »Das Wort Paris fiel, aber nicht in jenem Sinn«, entgegnete ich und berichtete ihm von Jane Wilkinsons Schnitzer.
    »Dort haben wir nach meiner Meinung die Lösung zu suchen«, meinte er nachdenklich. »Wohin blickte Ross in jenem Augenblick? Oder wovon hatte er gesprochen, als man das Wort erwähnte?«
    »Über schottischen Aberglauben.«
    »Und seine Augen waren – wo?«
    »Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich glaube, er guckte nach dem Kopfende des Tisches, wo Mrs Widburn saß.«
    »Und neben ihr?«
    »Der Herzog von Merton, dann Jane Wilkinson, dann ein mir unbekannter Herr.«
    »Hm… Monsieur le Duc. Also möglicherweise ruhte sein Blick auf Monsieur le Duc, als das Wort Paris fiel. Erinnern Sie sich, dass es allgemein hieß, der Herzog sei am Mordtag in Paris gewesen? Wie aber, wenn Ross sich plötzlich an irgendetwas erinnert hätte, das anzeigte, dass Merton nicht in Paris war?«
    »Mein lieber Poirot!«
    »Ja, Sie, Hastings, finden das abgeschmackt und albern, und mit Ihnen die meisten Leute. Hatte Monsieur le Duc einen Grund für das Verbrechen? Jawohl, sogar einen sehr triftigen. Aber zu vermuten, dass er es verübte – ah! Das ist abgeschmackt! Er ist so reich, in einer solch hohen Stellung, hat solch einen hehren Charakter! Niemand wird sein Alibi einer allzu sorgfältigen Prüfung unterziehen. Aber in einem großen Hotel ein Alibi zu erschwindeln bietet keine Schwierigkeiten. Sagen Sie mir, äußerte Ross nichts, als das Wort Paris erwähnt wurde? Zeigte er keine

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