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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Gemütsbewegung?«
    »Ich glaube mich zu entsinnen, dass er plötzlich den Atem anhielt.«
    »Und sein Benehmen, als er hinterher mit Ihnen sprach? War er zerstreut? Bestürzt? Verwirrt? In sich gekehrt?«
    »Ja, Poirot. Besser hätten Sie es gar nicht beschreiben können.«
    »Ganz genau. Eine Idee hat sich seiner bemächtigt, die ihn nicht mehr loslässt, die ihn zum Nachdenken zwingt. Er selbst hält sie für närrisch, ungereimt. Und dennoch! Er zögert zwar, sie laut werden zu lassen. Will schließlich mit mir sprechen. Doch leider, leider bin ich, als er sich endlich hierzu durchgerungen hat, bereits fortgegangen.«
    »Wenn er wenigstens mir etwas mehr gesagt hätte!«
    »Ja. Wenn er wenigstens… Wer befand sich übrigens in jenem Augenblick in Ihrer Nähe?«
    »Alle und jeder. Es war während des Aufbruchs, und man drängte sich um Mrs Widburn.«
    Wieder sprang Poirot auf seine Füße.
    »Habe ich mich denn geirrt?«, murmelte er, als er seine ruhelose Wanderung von neuem begann. »Habe ich mich die ganze Zeit geirrt?«
    Mein Blick folgte ihm mit ehrlicher Anteilnahme. Was in seinem Kopf vorging, wusste ich nicht. »Verschlossen wie eine Auster«, hatte Japp ihn genannt, und treffendere Worte konnte man kaum finden. Das einzige, was ich wusste, war, dass er gegenwärtig mit sich selbst haderte.
    »Jedenfalls kann man diesen letzten Mord nicht dem jungen Lord Edgware in die Schuhe schieben«, warf ich hin.
    »Gewiss ist es ein Punkt, der zu seinen Gunsten spricht«, gab mein Freund zerstreut zur Antwort. »Aber das kümmert uns im Augenblick nicht.« Und genauso jäh, wie er aufgesprungen war, fiel er wieder in seinen Sessel zurück. »Ich kann nicht gänzlich Unrecht haben. Hastings, erinnern Sie sich, dass ich Ihnen einst fünf Fragen vorlegte?«
    »Dunkel, ja.«
    »Sie hießen: Warum änderte Lord Edgware seine Meinung über die Scheidung? Was geschah mit jenem Brief, den er seiner Gattin angeblich schrieb und den sie angeblich nicht erhielt? Was bedeutete sein wutverzerrtes Gesicht, als wir die Bibliothek verließen? Warum lag in Carlotta Adams’ Handtäschchen ein Kneifer? Weshalb telefonierte jemand nach Chiswick und hängte, als Lady Edgware an den Apparat kam, sofort ein?«
    »Richtig, Poirot, richtig; so lauteten sie. Jetzt erinnere ich mich.«
    »Hastings, ich habe schon lange eine gewisse kleine Idee, wer der Mann war – der Mann hinter den Kulissen –, mit mir herumgetragen. Drei jener Fragen beantwortete ich, und die Antworten stimmen mit meiner kleinen Idee überein. Aber auf zwei Fragen finde ich keine Antwort, mon cher.
    Ich will Ihnen auseinandersetzen, was das bedeutet: Entweder bin ich auf ganz falschem Weg, sowohl was die Person als auch was das Tatmotiv betrifft; oder die Antwort auf beide Fragen ist die ganze Zeit vorhanden, und ich sehe sie nicht.« Er erhob sich zum dritten Mal, ging zu seinem Schreibtisch, schloss ihn auf und nahm den Brief heraus, den ihm Lucie Adams anvertraut hatte. Dann legte er ihn vor sich auf die Platte und brütete über ihm.
    Minute reihte sich an Minute, aus ihnen wurden Viertelstunden. Ich gähnte und griff nach einem Buch, fest davon überzeugt, dass Poirots Studium zu nichts führen würde. Zu oft hatten wir den Brief bereits durchgelesen und waren nie schlauer geworden. Selbst zugegeben, dass er sich nicht auf Ronald Marsh bezog, so fehlte andererseits jeder Hinweis, wer sonst gemeint sein könnte.
    Lustlos blätterte ich die Seiten um… duselte schließlich ein… War es ein Schrei, der mich aufweckte?
    »Hastings!« Mit einem unbeschreiblichen Ausdruck sah Hercule Poirot mich an, die Augen grün und leuchtend. »Hastings! Wissen Sie noch, dass ich Ihnen sagte, wenn der Mörder ein Mann von Ordnung und Methode gewesen wäre, würde er die Seite abgeschnitten und nicht abgerissen haben?«
    »Ja?«
    »Das war ein Irrtum! Ordnung und Methode herrschen durchweg bei diesem Verbrechen, mon cher. Die Seite mus s te abgerissen werden. Bitte, schauen Sie!«
    »Meinen Sie, er sei in Eile gewesen?«, fragte ich zaghaft.
    »Eile oder nicht Eile – das kommt auf dasselbe heraus. Sehen Sie wirklich nicht, mein Freund? Die Seite musste abgerissen werden…«
    Und während ich ratlos den Kopf schüttelte, gestand Poirot mit leiser Stimme: »Ich bin dumm gewesen. Und blind obendrein. Aber jetzt… jetzt… wird’s mit Riesenschritten vorwärtsgehen.«

27
     
    » W ir wollen ein Taxi nehmen, mon cher. Es ist neun Uhr, da können wir gerade noch einen Besuch

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