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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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über den Schieferplattenweg. Griessel öffnete das Gartentor und trat hinaus auf die Straße.
     Er drehte sich zum Leeukop um. Joubert gesellte sich zu ihm, blickte zu der Felskuppe, die die Stadt überragte, und spürte
     den Wind, der Bennies Haare noch heftiger durcheinander |359| brachte. Dieser Tag, der so perfekt begonnen hatte, wurde vom
Suidooster
verdüstert, der bis heute Abend besessen um den Tafelberg heulen würde wie ein Dämon.
    »Vor sechs Uhr heute Morgen war Rachel Anderson dort oben«, sagte Griessel und zeigte zum Leeukop, »und bat eine ältere Dame,
     die Polizei zu rufen. Da waren die Kerle immer noch hinter ihr her, schon seit zwei Uhr nachts. Um elf Uhr kam sie hier oben
     am Restaurant an und erklärte ihrem Vater am Fernsprecher, sie könne nicht zur Polizei gehen …«
    Fernsprecher, dachte Joubert. Ein Dinosaurierwort.
    Griessel senkte den Kopf wieder. Dann blickte er hinauf zum Tafelberg und schätzte den Abstand zum Leeukop. Er sah Joubert
     an. »Fünf Stunden, nachdem sie oben auf dem Leeukop war, ist sie in dem Restaurant angekommen. Kurz darauf haben die Scheißkerle
     draußen angehalten und sie quer durch den Laden weiterverfolgt. Aber woher wussten sie, dass sie dort war, Mat? Warum hat
     sie sich gescheut, bei der Polizei anzurufen?« Wieder fuhr er sich mit einer Hand durch die Haare. »Wie stellt man das an?
     Ein Mädchen, eine Ausländerin, du bist auf Teufel komm raus hinter ihr her, sie kann sonst wo sein, wie schaffst du es, die
     ganze Stadt zu beobachten?«
    Sie starrten den Berg an. Wie immer war Joubert von Griessels Fähigkeit fasziniert, sich in andere hineinzuversetzen, ob Opfer
     oder Täter.
    Dann begriff er auch, was Griessel bereits angedeutet hatte. Sie hatten dort oben auf dem Berg gesessen und von da aus die
     ganze Stadt im Blick gehabt. »Könnte sein«, sagte er.
    »Aber das hilft uns einen Scheißdreck«, sagte Griessel, der ihm immer einen Schritt voraus war. »Denn jetzt haben sie das
     Mädchen.«
    »Dieses Haus kann man aber nicht vom Berg aus sehen«, gab Joubert zu bedenken und zeigte auf das viktorianische Gebäude, vor
     dem sie standen.
    »Stimmt«, seufzte Griessel. Bennie wirkte wieder abwesend, und Joubert wusste, dass sein Verstand auf Hochtouren arbeitete.
     Dabei kannte er die Frustration nur zu gut, die einen an einem solchen Tag überfallen konnte. Wenn tausend Dinge auf |360| einmal geschahen und man mit Informationen zugeschüttet wurde. Dann musste man durch das Chaos schnüffeln, durch alles, was
     man gehört und gesehen hatte, durch alles, was man wusste, was man zusammenflanschen konnte. Er erledigte diese Arbeit nachts,
     wenn er neben Margaret lag, neben ihrem warmen Körper, eine Hand auf der sanften Rundung ihres Bauchs. Dann gingen seine Gedanken
     langsame, systematische Wege. Doch bei Griessel verliefen solche Prozesse anders, ungeduldig, schnell, nicht immer fehlerlos,
     aber viel rascher. Er sah, wie Griessel mit dem Kopf ruckte, der Groschen war gefallen. Er blickte die Straße hinunter und
     setzte sich plötzlich zielstrebig in Marsch. Joubert musste sich beeilen, um mit ihm Schritt halten zu können. Hundert Meter
     weiter stellte sich Griessel in eine Einfahrt und blickte das Haus und die Garage an. »Hier hat er gesessen, in einem Pickup
     …« Er war ganz aufgeregt. »Beinahe hätte er uns über den Haufen gefahren!«
    Griessel lief die Einfahrt entlang, kehrte um, blickte zum Haus von Piet van der Lingen hinüber und sagte: »Nein!« Er rannte
     hin und her, sprang hoch und runter und sagte schließlich: »Mat, stell dich mal hier hin!«
    Joubert gesellte sich zu ihm.
    »Stell dich auf die Zehenspitzen.«
    Joubert reckte sich.
    »Wie viel kannst du von dem Haus erkennen?«
    Der große Mann hielt Ausschau. »Ich bin ein bisschen zu tief, um alles sehen zu können.«
    »Hier ist er rausgekommen, ein Kerl in einem Bakkie. Ein Toyota mit Allradantrieb, so ein ausgeblichener roter, das alte Modell.
     Der kleine Scheißer am Steuer war noch jung. Er ist in einem Affenzahn rückwärts hier rausgefahren, hatte es verdammt eilig.
     Genau vor unserer Nase ist er hier rausgekommen und dann in Richtung Stadt gerast.«
    Joubert hatte einen anderen Blick auf die Ereignisse, da er die Vorgeschichte nicht kannte. »Vielleicht hat er sich auf die
     Ladefläche gestellt«, schlug er vor. »Von da aus hatte er alles im Blick.«
    »Du hast recht!«, sagte Griessel. »Er war jung, genau wie der andere!« Er sah Joubert an. »Ich

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