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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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aus der sie vorhin gekommen war. Sie wusste nicht, ob sie sie gesehen
     hatten, und hielt sich dicht an den Mauern der Häuser. Dann blickte sie sich um und sah, dass sie auf sie zurannten.
    Vor Verzweiflung war sie wie gelähmt. Vielleicht war es besser, einfach stehen zu bleiben und das Unvermeidliche über sich
     ergehen zu lassen, damit alles vorbei wäre. Für einen Augenblick erschien ihr diese Möglichkeit fast unwiderstehlich, der
     perfekte Ausweg, so dass sie ihre Schritte verlangsamte. Doch dann sah sie wieder Erin in der vergangenen Nacht vor sich.
     Adrenalin pulsierte durch ihre Adern, und weinend rannte sie los.
     
    Als Griessel mit dem Kaffee kam, hoben die Sanitäter gerade die Leiche auf einer Tragbahre über die Mauer. Die Schaulustigen
     drängten sich näher heran, bis an das gelbe Flatterband, mit dem der Bürgersteig abgesperrt war. Griessel wunderte sich schon
     lange nicht mehr über die makabere Faszination, die der Tod auf die Leute ausübte. Er reichte seinem Kollegen einen Styroporbecher.
    »Danke, Bennie.«
    Der Kaffeeduft erinnerte Griessel daran, dass er noch nicht gefrühstückt hatte. Vielleicht konnte er zwischendurch kurz nach
     Hause gehen und einen Teller WeetBix essen, bevor die Fotos entwickelt waren, schließlich lag seine Wohnung nur einen Kilometer
     entfernt. Dann könnte er auch nachsehen, ob Carla ihm geschrieben hatte, denn gestern Abend …
    Nein, er würde jetzt nicht über gestern Abend nachdenken.
    Vusi sagte etwas auf Xhosa, was er nicht verstand, ein Ausruf des Erstaunens. Er folgte dem Blick des schwarzen Fahnders und
     sah, wie drei Metro-Polizisten über die Mauer kletterten. Oerson, |42| den sich Griessel vorhin vorgeknöpft hatte, trug einen blauen Rucksack in der Hand. Enthusiastisch kamen sie auf sie zumarschiert.
    »
uNkulunkulu
«, sagte Vusi.
    »
Fok
«, sagte Griessel.
    »Wir haben ihn gefunden«, verkündete der Feldmarschall selbstzufrieden und hielt Vusi den Rucksack hin.
    Der Xhosa schüttelte den Kopf und zog die Gummihandschuhe wieder aus der Tasche.
    »Was ist?«, fragte Oerson.
    »Beim nächsten Mal«, antwortete Griessel mühsam beherrscht, »wäre es besser, wenn Sie uns Bescheid sagen würden, sobald Sie
     ein Beweismittel gefunden haben. Dann benachrichtigen wir die Spurensicherung und sperren das Umfeld ab, ehe sich jemand an
     dem Gegenstand zu schaffen macht.«
    »Aber er hat in der Bloemstraat in einem verdammten Hauseingang gelegen. Tausend Leute könnten ihn anfasst haben. Außerdem
     ist sowieso nicht viel drin.«
    »Sie haben ihn aufgemacht?«, fragte Vusi ungläubig, als er den Rucksack annahm. Die beiden Trageriemen waren durchgeschnitten,
     genau wie die Rechtsmedizinerin vermutet hatte.
    »Es hätte eine Bombe drin sein können«, rechtfertigte sich Oerson.
    »Haben Sie die Sachen etwa angefasst?«, wollte Vusi wissen und holte ein Schminktäschchen aus dem Rucksack. Er hockte sich
     hin, um den Inhalt auf dem Asphaltweg auszubreiten.
    »Nein«, antwortete Oerson, aber Griessel wusste, dass er log.
    Vusi zog eine Serviette des Steers aus dem Rucksack, dann ein geschnitztes kleines Nilpferd aus dunklem Holz, einen weißen
     Plastiklöffel und eine Petzl-Kopflampe. »Ist das alles?«, fragte er.
    »Das ist alles«, sagte Oerson.
    »Könnten Sie mir bitte einen Gefallen tun?«
    Die Uniformierten antworteten nicht.
    »Könnten Sie noch einmal nachsehen, ob Sie nicht noch andere Sachen finden? Vielleicht hat jemand etwas weggeworfen. Egal,
     irgendetwas. Am liebsten hätte ich natürlich einen Identitätsnachweis, einen Pass, einen Führerschein, irgend so etwas …«
    |43| Oerson war nicht gerade begeistert. »Wir können Sie nicht den ganzen Tag lang unterstützen.«
    »Ich weiß«, erwiderte Vusi sanft und geduldig. »Nur noch dieses eine Mal, bitte.«
    »Okay. Ich nehme noch ein paar von meinen Leuten mit«, sagte Oerson. Sie machten kehrt und kletterten wieder über die Mauer.
    Vusi fuhr mit den Fingern in die kleinen Seitentaschen des Rucksacks. In der ersten fand er nichts. In der zweiten fühlte
     er etwas ganz tief unten – ein grünes Pappkärtchen mit einem schwarzgelben Logo darauf:
Hodsons Bay Company.
Und in kleinerer Schrift darunter:
Bicycles, fitness, backpacking, camping, climbing gear, and technical clothing for all ages and abilities.
Dazu eine Adresse: 360 Brown Street, Levee Plaza, West Lafayette, IN 47906. Auch zwei Telefonnummern waren angegeben. Der
     Xhosa studierte das Kärtchen aufmerksam und reichte es

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