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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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angerichtet
     hatte. Carla würde niemals Alkohol trinken, denn ihr Vater war ein Alkoholiker, der mit seiner Sucht die ganze Familie ruiniert
     hatte. Auch wenn er inzwischen einhundertsechsundfünfzig Tage nüchtern war, konnte er die Vergangenheit nicht ungeschehen
     machen.
    Er wusste nicht recht, was er ihr daraufhin erwidern sollte. Er war in einen Fettnapf getreten, und nun fehlten ihm die Worte.
     Erst zwei Tage später schrieb er ihr eine holprige Antwort. Er erzählte ihr von seinem neuen Fahrrad und seiner Versetzung
     zur Provinzialen Sondereinheit. Aufmunternd hatte sie zurückgeschrieben:
Es ist so schön, zu wissen, was in Deinem Leben so passiert, Papa. Deines ist auf jeden Fall viel interessanter als meines.
     Ich arbeite, schlafe und esse, aber wenigstens habe ich am Montag den Buckingham Palast besucht.
    Allmählich hatte ihre Korrespondenz einen Rhythmus angenommen, der für beide angenehm war. Sie schrieben sich zwei Mails pro
     Woche, vier, fünf Absätze, auf die Griessel immer sehnsüchtiger wartete. Er freute sich sowohl über die Nachrichten seiner
     Tochter als auch darauf, ihr zu antworten. Seine Repliken formulierte er tagsüber im Kopf vor. Dieses oder jenes musste er
     Carla unbedingt erzählen. Die kleinen Texte verliehen seinem unbedeutenden Leben einen Sinn.
    |47| Doch dann, vor einer Woche, hatte die Internet-Verbindung nicht mehr funktioniert. Unerklärlich, urplötzlich, und noch nicht
     mal die Hotline konnte ihm helfen, obwohl sie ihn telefonisch Vorgänge am Rechner ausführen ließ, die er gar nicht für möglich
     gehalten hätte. Doch am Ende hieß es: »Bringen Sie Ihren Computer zum Händler.« Sehr witzig, schließlich war es Diebesgut.
    Am Freitagnachmittag nach der Arbeit, auf dem Weg zu seiner Wohnungstür, traf er Charmaine Watson-Smith. Charmaine war weit
     über siebzig und wohnte in Nummer 106. Sie trug einen grauen Dutt und war gewitzt, großzügig und lebenslustig. Sie kannte
     den ganzen Wohnblock, kümmerte sich um alle und wusste alles.
    »Wie geht es Ihrer Tochter?«, fragte Charmaine.
    Da erzählte Griessel ihr von seinen Computerproblemen.
    »Oh, ich glaube, ich kenne da jemanden, der Ihnen helfen könnte.«
    »Wen denn?«
    »Warten Sie ab, ich lasse von mir hören.«
    Gestern dann, am Montagabend um halb sieben, als er gerade in seiner Küche stand und bei offener Wohnungstür bügelte, klopfte
     Bella an.
    »
Tannie
Charmaine hat gesagt, ich soll mal nach deinem Computer sehen.«
    Er war ihr schon mehrmals begegnet, dieser jungen Frau, die abends in einer grauen, unattraktiven Art Uniform zu ihrer Wohnung
     zurückkehrte. Kurze blonde Haare, Brille, müde am Ende des Tages, eine kleine Tasche in der Hand.
    Doch gestern Abend hätte er sie im ersten Moment fast nicht wiedererkannt. Sie sah hübsch aus. Nur die Tasche, die sie bei
     sich hatte, rettete ihn.
    »Oh … komm doch rein.«
    »Bella van Breda. Ich wohne in Nummer 64.« Sie war offenbar genauso befangen wie er.
    Flüchtig schüttelte er ihr die Hand. Sie war weich und klein. »Bennie Griessel.« Sie trug eine Jeans und eine rote Bluse und
     hatte roten Lippenstift aufgelegt. Die Augen hinter ihrer Brille |48| blickten schüchtern, aber von Anfang an war er von ihrem vollen, breiten Mund fasziniert gewesen.
    »Tannie Charmaine ist …« Er suchte nach dem passenden Wort. »… sehr hilfsbereit.«
    »Ich weiß. Und sie ist wirklich sehr nett.« Bella warf einen Blick auf den Laptop, den er in der offenen Küche stehen hatte,
     weil sonst nirgendwo Platz war. »Ist er das?«
    »Oh … ja.« Er schaltete den Computer ein. »Meine Internetverbindung ist plötzlich zusammengebrochen. Kennst du dich mit Rechnern
     aus?«
    Gemeinsam starrten sie auf den Bildschirm, während der Computer hochfuhr. »Ja, ich bin Computertechnikerin«, antwortete sie
     und stellte ihre Tasche beiseite.
    »Ach so.«
    »Ich weiß schon, die meisten Leute denken, das wäre Männersache.«
    »Nein, nein, ich … Das ist mir doch egal, Hauptsache, jemand versteht etwas davon.«
    »Es ist so ziemlich das Einzige, wovon ich etwas verstehe. Könnte ich vielleicht …« Sie zeigte auf den Laptop.
    »Bitte.« Er zog ihr einen der hohen Hocker heran, und sie setzte sich vor den Computer.
    Sie war schlanker, als er gedacht hatte. Vielleicht lag es an ihrer weiten Uniform, dass er sie falsch eingeschätzt hatte.
     Oder an ihrem Gesicht. Es war rund, wie das einer molligeren Frau.
    Sie musste Ende zwanzig sein. Er hätte fast ihr Vater

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