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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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kam
     sie ungünstig auf lockeren Steinen auf, knickte um und stürzte nach links, bergabwärts. Sie suchte Halt mit den Händen, schlug
     hart mit der Schulter auf, schnappte nach Luft. Sie rollte einmal um |53| die eigene Achse und blieb dann liegen. Sie war sich bewusst, dass ihre Hände aufgeschürft waren, dass sie mit dem Kinn irgendwo
     aufgeschlagen war, aber am schlimmsten war, dass sie keine Luft bekam. Nach Atem ringend blökte sie beim ersten Versuch wie
     ein Tier. Nein, sie musste still sein, die durften sie nicht hören! Zwei Mal atmete sie rau, dann leichter, in flacheren Zügen.
     Als ihr Blick wieder klarer wurde, sah sie den Uferwall des kleinen Flusses und entdeckte auch die Höhlung, die das Wasser
     über die Jahrhunderte hinweg unten im Felsen ausgespült hatte, gerade groß genug, dass sie dort hineinkriechen konnte.
    Wie eine Schlange wand sie sich, auf ihre blutenden Hände gestützt, über die rundgewaschenen Felsen, bis sie die Öffnung erreicht
     hatte. Sie hörte die Schritte ihrer Verfolger. Wie nahe waren sie? Mit ihrem Rucksack würde sie nicht in die Höhle kriechen
     können. Sie hatte keine Zeit mehr, sie würden sie sehen! Mühsam richtete sie sich auf den Knien auf, versuchte, den Rucksack
     herunterreißen, musste aber erst den Bauchgurt lösen. Hektisch streifte sie die Trageriemen, rechts, links herunter, zwängte
     sich in die Öffnung, zog den Rucksack hinterher, und dann sprangen sie drei Meter von ihr entfernt über den Fluss, rasch,
     behände und wortlos. Sie hielt ihren keuchenden Atem an, sah, wie das Blut von ihrem Kinn auf den Felsen tropfte, blieb still
     liegen und schloss die Augen, als könnten auch die anderen sie dann nicht sehen.
     
    Mitten im dichten Verkehr hielt er das Handy ans Ohr und sagte: »Hallo, Anna.« Dabei schlug ihm das Herz bis zum Hals wegen
     gestern Abend.
    »Ich würde gerne mit dir reden, Bennie.«
    Es war absolut unmöglich, nie und nimmer hätte seine Frau davon erfahren haben können.
    »Worüber?«
    »Über alles, Bennie. Ich dachte, vielleicht könnten wir uns heute Abend mal unterhalten.«
    Über alles? Er fand nicht heraus, was ihre Stimmlage zu bedeuten hatte.
    »Können wir machen. Soll ich nach Hause kommen?«
    |54| »Nein, ich dachte, wir könnten irgendwo … vielleicht etwas essen gehen.«
    Oh, nein. Was hatte das zu bedeuten?
    »Ist mir recht. Wo denn?«
    »Ich weiß nicht. Canal Walk liegt ungefähr in der Mitte. Da gibt es ein ›Primi‹ …«
    »Um welche Uhrzeit wäre es dir recht?«
    »Um sieben?«
    »Danke, Anna, ich freue mich darauf.«
    »Bis dann, Bennie.« Brüsk, als habe er etwas Falsches gesagt.
    Griessel saß mit dem Mobiltelefon in der Hand da. Hinter ihm hupte einer. Er sah, dass es weiterging. Er ließ die Kupplung
     kommen und schloss auf. Über alles, Bennie. Was hatte das zu bedeuten? Und warum sollte er nicht nach Hause kommen? Nein,
     sie wollte lieber essen gehen. Fast wie bei einem Rendezvous. Aber als er sagte: »Ich freue mich darauf«, hatte sie aufgelegt,
     als sei sie verärgert.
    Wusste sie von gestern Abend? Angenommen, sie wäre bei seiner Wohnung gewesen, an der Tür. Sie hätte zwar nichts sehen, aber
     ganz sicher etwas hören können, nämlich Bella, die in einem bestimmten Stadium leise, zufriedene Laute ausgestoßen hatte.
     Wie hatte ihn das erregt! Aber wenn Anna es gehört hatte …
    Doch sie war noch nie bei ihm zu Hause gewesen. Warum hätte sie ausgerechnet gestern Abend kommen sollen? Um mit ihm zu reden?
    Es war nicht gänzlich auszuschließen. Sie könnte etwas gehört haben, und dann hatte sie vielleicht gewartet und hatte Bella
     herauskommen sehen …
    Aber würde sie in diesem Fall mit ihm essen gehen wollen?
    Nein. Obwohl …
    Wenn sie es wüsste … Dann wäre er in Schwierigkeiten. Das war ihm inzwischen klar. Aber sie konnte es nicht wissen.

|55| 6
    Die Brownlowstraat stellte für Griessel eine Überraschung dar, weil Tamboerskloof eigentlich als Reiche-Leute-Gegend galt.
     Doch die viktorianischen Häuser hier waren in einem sehr unterschiedlichen Zustand, von kürzlich restauriert bis stark heruntergekommen.
     Es gab Reihenhäuser und freistehende, riesige Villen, die einzeln am Hang hockten. Nummer 47 war groß und beeindruckend: zwei
     Stockwerke, Balkone mit verschnörkeltem Geländer, cremefarbene Außenwände und grün lackierte Holzfensterläden. Irgendwann
     in den vergangenen zehn Jahren war das Haus einmal renoviert worden, aber mittlerweile hätte mal wieder

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