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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Hubschraubers
     drang durch die zugezogenen Gardinen. Das Wapp-Wapp der Rotoren wurde immer lauter. Er wartete, bis es abebbte.
    »Sie haben sich Vorwürfe gemacht. Haben gedacht, es sei Ihre Schuld.«
    Sie betrachtete ihn noch immer schweigend.
    »Aber das war es nicht. Es gibt Männer, die sind so«, sagte er. »Es ist eine Krankheit. Eine Sucht.« Sie nickte, als wolle
     sie noch mehr hören.
    »Eine Droge für die Seele. Ich glaube, solche Männer fühlen sich innerlich leer. Sie finden keine Erfüllung. Vielleicht hilft
     es eine Weile lang, ein, zwei Tage, dann fängt es wieder von vorne an. Ich glaube, es gibt einen Grund dafür. Diese Männer
     haben kein Selbstwertgefühl, es ist ihre Art …« Sein weißes Afrikaans ließ ihn im Stich.
    »Anerkennung zu suchen«, ergänzte sie. Er wartete, ließ ihr alle Möglichkeiten offen. Aber sie sah ihn unverwandt an, aufmunternd,
     fast flehentlich.
    »Genau – Anerkennung. Vielleicht mehr als das. In ihrem Inneren ist etwas zerbrochen. Ein alter Schmerz, der nie ganz vergeht.
     Er kehrt immer wieder, immer stärker zurück. Das Gegenmittel hilft immer weniger, es ist ein …« Wieder suchte er nach dem
     richtigen Wort, begleitet von einer Geste, diesmal allerdings absichtlich, damit sie wieder fortfuhr.
    »Ein Teufelskreis.«
    »Genau …«
    |416| Sie zerstörte die Atmosphäre nicht, die er schuf. Erst zögerte Dekker, aber dann fuhr er fort: »Er hat Sie geliebt, auf seine
     Art. Ich glaube, er hat Sie sehr geliebt. Ich glaube, er wollte Sie gar nicht verletzen, aber jedes Mal, wenn er es getan
     hatte, sank seine Selbstachtung noch weiter, weil er wusste, dass er Ihnen wehtat. Er wusste, was er anrichtete. Das wiederum
     war dann ein Grund, es wieder zu tun – fast ein Akt der Selbstzerstörung. Wie ein Tier, das sich selbst auffrisst. Wenn ihm
     eine Frau zu verstehen gab, dass sie ihn begehrte, sagte ihm das, so schlecht sei er ja gar nicht, und dann dachte er nicht
     mehr nach, sondern gab sich seinen Trieben hin. Es war wie ein Fieber, das ihn überkam, er konnte es nicht verhindern. Man
     will, aber man kann es nicht, auch wenn man seine Frau noch so sehr liebt.« Dekker hielt abrupt inne, als er seinen Fauxpas
     bemerkte, und lehnte sich langsam im Stuhl zurück.
    Er sah sie an. Hatte sie es bemerkt?
    Nein, sie wirkte geistesabwesend. Dann sagte sie: »Ich habe ihn gebeten, Hilfe zu suchen.«
    Hoffnung keimte in ihm auf. Sie blickte zu ihrem Nachtschränkchen. Über der Schublade gab es einen Schlitz, aus dem man Taschentücher
     ziehen konnte. Sie zupfte eines heraus, wischte sich nacheinander über beide Augen und knüllte den dünnen Zellstoff mit einer
     Hand zusammen. »Eine Zeitlang habe ich versucht, Verständnis für ihn aufzubringen. Damals glaubte ich, einen kleinen Jungen
     in ihm zu erkennen, einen ungeliebten, einsamen Jungen. Aber ich konnte mir nicht sicher sein, er hat nie mit mir darüber
     geredet, ich habe nie herausgefunden, woran es wirklich lag. Denn was ist die Ursache? Woher kommt meine Sauferei? Von meinen
     Ängsten, meiner Unsicherheit? Meinen Minderwertigkeitskomplexen? Ich habe in meiner Kindheit geforscht, denn das ist der einfachste
     Ausweg. Schieb deinen Eltern die Schuld in die Schuhe. Ja, sie haben Fehler gemacht, ja, sie waren nicht perfekt, aber das
     reicht nicht als … Rechtfertigung. Das Problem ist, es liegt an mir. Es ist die Art, wie meine Atome schwingen, es ist ihre
     Frequenz, ihre Tonhöhe, der Notenschlüssel, in dem sie singen.«
    Er vermutete, worauf sie hinauswollte.
    |417| »Niemand kann einem helfen …«, ermunterte er sie.
    »Außer man selbst.«
    »Er war nicht imstande, sich zu ändern.«
    Sie schüttelte den Kopf. Nein, Adam Barnard konnte sich nicht ändern. Am liebsten hätte Dekker jetzt gesagt: Und da haben
     Sie etwas geändert, aber er wollte ihr die Chance geben, es selbst zu sagen.
    Sie ließ sich gegen die Kissen sinken, als sei sie sehr müde.
    »Ich weiß nicht.« Sie seufzte tief.
    »Was?«, fragte er, eine geflüsterte Einladung.
    »Haben wir eigentlich das Recht dazu?«, sprach sie. »Menschen ändern zu wollen? Damit sie uns passen? Damit sie uns vor uns
     selbst beschützen? Schieben wir damit nicht nur die Verantwortung von uns weg? Meine Schwäche gegen seine. Wenn ich stark
     gewesen wäre – oder er. Unsere Tragödie lag in der Kombination, der eine war der Katalysator des anderen. Wir waren … eine
     unglückliche chemische Verbindung.«
    Seine Viertelstunde war gleich um.

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