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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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ihrer Freundin vorbeigerannt, hatte verzweifelt nach einem Ausweg gesucht,
     sie wollte die Führung übernehmen, sie hatte gedacht, Erin würde ihr folgen. Sie befand sich bereits hinter dem Gebäude, außer
     Sicht, unerreichbar für den Schein der Straßenlaternen, als ihr klar wurde, dass sie Erins Schritte nicht mehr hörte. Sie
     hatte sich umgedreht. Todesangst lastete auf ihr wie ein schweres Gewicht. Wo war Erin? Widerstrebend und voller Furcht war
     sie bis an die Ecke des Kirchengebäudes zurückgerannt.
    Erin lag auf dem Boden, umringt von allen fünf Männern, gebückt, |255| kniend, tierische Laute ausstoßend. Das Messer blitzte auf. Erins verzweifelter Schrei – und dann war sie plötzlich still.
     Schwarzes Blut in der Dunkelheit.
    Dieser Augenblick hatte sich tief in ihr Gedächtnis eingegraben. Unwirklich, überwältigend. Schwer wie Blei.
    Rachel hatte sich umgedreht und war weggerannt, aus reinem Überlebenswillen. Hinten um die Kirche herum. Wieder über die Mauer.
     Sie hatte einen größeren Vorsprung gewonnen.
    Erfüllt von Erleichterung. Dankbarkeit. Sie lebte.
    Vor dem Badezimmerspiegel wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt, so dass sie sich nicht ins Gesicht sehen konnte. Voller
     Scham ließ sie den Kopf hängen, hielt sich verzweifelt am Rand des Waschbeckens fest. Übelkeit stieg aus ihrem Magen hoch,
     ihre Eingeweide krampften sich zusammen, ein Brechreiz schüttelte sie. Ein trockenes Ersticken, das hinaufrollte bis nach
     oben. Sie rülpste einmal und erschauerte.
    Dann fing sie an zu weinen.
     
    Vusi Ndabeni saß vorne im Streifenwagen, zwischen einem Konstabel und einem Inspekteur, beide in Uniform. Ein weiterer Einsatzwagen
     folgte ihnen über die Westküstenstraße.
    Die Kollegen wollten die Sirenen und das Blaulicht einschalten, aber er hatte sie gebeten, es nicht zu tun. Er wollte möglichst
     ohne Aufsehen das Haus von J. M. de Klerk erreichen, es unauffällig umstellen lassen und dann erst anklopfen. Der Inspekteur
     hatte gesagt, er wisse, wo das sei, an einem der
singel,
»Gräben« genannten Straßen in Parklands, ein neues Wohnviertel, wo die weiße und die aufsteigende schwarze Mittelklasse Seite
     an Seite und in offensichtlicher Harmonie zusammenlebten. Die Ideologie des Neuen Südafrika – erfolgreich praktiziert.
    An einer Ampel bogen sie rechts in den Parkweg ein. Einkaufszentren, gesicherte Wohnanlagen mit kleinen Stadthäusern, dann
     wieder links in die Ravenscourt, rechts in die Humewood. Im Gegensatz zum Mandelapark oder Harare in Kayelitsha fand man hier
     keine rechtwinkligen Straßenblocks, sondern einen Irrgarten von
singels
und Sackgassen. Vusi sah den Inspekteur an.
    »Wir sind gleich da, erste links, zweite rechts.«
    |256| Und immer wieder einzelne Häuser, gesicherte Wohnanlagen, noch ordentlich und neu, die Gärten im Entstehen, die Bäume klein
     oder noch nicht eingepflanzt.
    »Wir dürfen nicht direkt vor dem Haus parken«, sagte Vusi. »Ich will ihn nicht erschrecken.«
    »Okay«, sagte der Inspekteur und zeigte dem Konstabel erneut, wie er fahren musste.
    Endlich stand auf einem Wegweiser
Atlantic Breeze.
    Es entpuppte sich als weitere Wohnanlage mit kleinen Stadthäusern, typisch für diese Gegend, große Komplexe hinter Mauern.
     »Gibt es hier nur solche Anlagen?«, fragte Vusi.
    »Nein, ich glaube nicht.«
    Doch Nummer 24 war auch wieder eine dieser Einheitssiedlungen. Sie parkten ein Stück weit entfernt. »Ich möchte aussteigen«,
     sagte Vusi, und der Inspekteur öffnete die Tür und rutschte heraus.
    Eine hohe weiße Mauer, scharfer Metallstacheldraht obendrauf, große aufgemalte Zahlen, eine Zwei und eine Vier. Die Zufahrt
     durch ein elektrisches Tor gesichert, und dahinter die kleinen Häuser im afrikanischen Stil, blaugrüne Fensterläden, monochrome
     Fensterrahmen, ausgebaute Spitzdächer mit schwarzen Rahmen. Wieder so ein schnell hochgezogenes Spekulationsobjekt, das innerhalb
     von fünf Jahren langweilig und phantasielos wirken würde.
    »
Ai
«, sagte Vusi. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Er winkte den beiden uniformierten Kollegen in dem anderen Fahrzeug.
     Sie stiegen aus und gesellten sich zu ihm.
    »Die Westen«, sagte Vusi. Der Inspekteur öffnete die Heckklappe des Einsatzfahrzeuges. Die kugelsicheren Westen lagen nicht
     mehr so ordentlich aufgestapelt wie vorhin. Vusi nahm eine, zog sie über den Kopf, schnallte sie fest. »Zieht euch auch eine
     an. Wartet hier, ich versuche erst einmal, ob mir

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