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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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fragte der Fotograf
     und hielt Bennie verärgert die Bilder hin.
    Er nahm sie an. »Danke.«
    Der Fotograf drehte sich beleidigt um und ging, ohne ein Wort zu sagen.
    Griessel sah sich das oberste Foto an. Rachel Anderson und Erin Russel, lachend und lebendig. Fenchel und Koriander, hell
     und dunkel. Erin Russel besaß das Gesicht einer Nymphe. Ihre Haare trug sie kurz. Sie hatte ein hübsches kleines Näschen und
     große grüne Augen. Rachel Anderson besaß eine besondere Ausstrahlung; ihre Schönheit erkannte man erst auf den zweiten Blick.
     Sie trug ihre dunklen Haare in einem geflochtenen Zopf über der Schulter, hatte eine lange, gerade Nase und einen breiten
     Mund. Ihre markante Kinnpartie strahlte Entschlossenheit aus. Doch sie waren noch Kinder: Sie schienen so sorglos und ausgelassen,
     und ihre Augen strahlten vor Aufregung.
    Hinter ihnen hockte brütend der einzige andere markante Berg Afrikas außer dem Tafelberg: der Kilimandscharo.
    Drogenkuriere?
    Sein Verstand sagte ihm, dass grundsätzlich alles möglich war, schließlich hatte er es schon so oft erlebt. Habsucht, Skrupellosigkeit,
     Unvernunft. Das Verbrechen unterschied nicht bei der Herkunft. Er war eine Frage der Neigung, der persönlichen Entwicklung
     und der Gelegenheit. Aber sein Herz sagte: nein, nicht diese beiden.
     
    Sie fühlte sich innerlich zerrissen – einerseits wagte sie es kaum, irgendjemandem zu vertrauen, andererseits hatte die Stimme
     des Mannes aufrichtig geklungen. Hier konnte sie nicht bleiben, denn jemand wusste, wo sie war, aber sie konnte auch nicht
     wieder zurück auf die Straße, dann würde alles wieder von vorn anfangen. |249| Das Wissen, dass die Tür offen war, nur wenige Schritte von ihr entfernt, die Chance auf einen sicheren Hafen, wo es zu trinken
     und zu essen gab, überwältigte sie und schlug jedes andere Argument.
    Langsam erhob Rachel sich. Ihr Herz klopfte; das Risiko war groß. Sie nahm den Rucksack und kroch auf allen vieren – denn
     weiter oben waren die Pflanzen zu dicht und stachlig – bis an den Rand der Blättergardine.
    Ein kleines Stück Plattenweg, eine Stufe, die niedrige
stoep
, eine braune Türmatte mit der Aufschrift
Welcome
und die Holztür, der Lack mit den Jahren ausgebleicht.
    An dieser Stelle zögerte sie und erwog noch einmal alle Konsequenzen. Dann überwand sie kriechend die letzten Zentimeter bis
     nach draußen, wo sie im grellen Sonnenlicht blinzelte. Sie richtete sich auf. Ihre Beine waren steif vom langen Liegen. Mit
     langen schnellen Schritten lief sie den Weg entlang, die Treppe hinauf und durch das kurze schattige Stück auf der
stoep
. Sie legte die Hand auf den Griff, blankgeriebenes Kupfer, kühl auf ihrer Haut, holte tief Luft und öffnete die Tür.
     
    Barry starrte gerade nicht durch das Fernglas. Es war zu schwer, um es ohne Stativ permanent vor die Augen zu halten.
    Er hatte das Gesicht um ein paar Grad weggedreht, so dass er die Straße hinauf zum Carlucci’s blickte. Doch aus den Augenwinkeln
     heraus nahm er plötzlich eine Bewegung wahr, über hundert Meter entfernt, dort bei dem Haus. Er wandte den Kopf wieder zurück
     und kniff die Lider zusammen. Nur für einen Augenblick sah er die Gestalt, klein durch die weite Entfernung. Das Blau eines
     Kleidungsstücks hatte genau den Farbton, den er suchte. Er riss das Fernglas hoch, blickte hindurch, stellte es ein.
    Nichts. »Scheiße!«, sagte er laut.
    Er hielt die Gläser starr auf die Eingangstür gerichtet. Durch das Schnitzwerk der Veranda war sie teilweise vor ihm verborgen,
     aber es rührte sich nichts.
    Hatte er sich geirrt? Nein, er hatte es genau gesehen. Er zwinkerte, konzentrierte sich. Kleine Gestalt, blau …
    »Scheiße!«, sagte er noch einmal, denn es konnte auch Einbildung |250| gewesen sein. Dort oben am Berg hatte er auch ein paar Mal geglaubt, sie gesehen zu haben. Das Adrenalin war durch seine Adern
     pulsiert, aber wenn er das Fernglas eingestellt hatte, war es meistens falscher Alarm gewesen, Selbsttäuschung, vor lauter
     Hoffnung und Erwartung.
    Er ließ das Fernglas sinken und hielt mit bloßen Augen Ausschau, um sich das Bild von eben wieder in der richtigen Perspektive
     vorzustellen.
    Sie hatte sich dort bewegt. Genau da. Hatte sie die rechte Hand auf den Türgriff gelegt? Die linke Hand war zurückgestreckt,
     sie hatte etwas festgehalten. Den Rucksack?
    Wieder blickte er durch den Feldstecher. Von wo war sie gekommen? Zum ersten Mal dachte er an die Bougainvilleen und

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