Dreizehn Stunden
Er verfolgte ihn mit den Augen, bis er tief über die Stadt hinwegschwenkte.
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Die uniformierten Kollegen blieben mit ihren Maschinenpistolen und kugelsicheren Westen draußen stehen, während Vusi drinnen
bei der Verwalterin des Komplexes saß. Sie erinnerte ihn an Brotteig, bleich und formlos, sogar ihre Stimme war ohne Charakter.
»De Klerk wohnt in A6. Er hat das Haus nicht gemietet, es gehört ihm. Ich sehe ihn nur selten. Seine Umlagen werden abgebucht.«
Sie hatte ein Schlafzimmer ihres Stadthauses als Büro eingerichtet und saß vor einem kleinen, billigen Resopalschreibtisch.
Hinter einem Computerbildschirm und einer Tastatur hing ein weißes Melaminbücherbord mit Aktenordnern, von denen nun einer
aufgeschlagen neben der Tastatur lag. Vusi stand an der Tür.
»Ist er noch hier?«
»Ich weiß nicht.« Die bloße Feststellung einer uninteressanten Tatsache.
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Ich glaube, das war im November.«
»Also ist er im November zum letzten Mal zu Hause gewesen?«
»Ich weiß es nicht. Ich komme nicht oft raus.«
»Wissen Sie, wie er telefonisch zu erreichen ist?«
Sie sah nach. »Nein.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Er ist noch jung.« Sie tippte mit einem dicken Zeigefinger auf die Unterlagen. »Sechsundzwanzig.« Sie hob wieder den Blick
und sah in Vusis fragendes Gesicht. »Ziemlich groß. Braune Haare.«
»Wo arbeitet er?«
Der Zeigefinger wanderte über das Dokument in der Akte. »Hier steht unter ›Beruf‹ nur: ›Berater‹.«
|261| »Kann ich bitte mal nachsehen?«
Sie schob ihm die Akte zu. Er zog sein Notizbuch und seinen Stift hervor, legte beides auf die Gegenseite des Formblattes
und sah sich die Eintragungen an.
Anfangsbuchstaben der Vornamen und Nachname:
J. M. de Klerk.
Dazu die Nummer eines Personalausweises.
Haustyp: Drei-Zimmer-Doppelhaus
Status: Besitzer und Bewohner
Untervermietung: nein
Umlagen: 800 Rand p. M.
Kaufdatum: 1. April 2007
Beruf: Berater
Postadresse: Einheit A6, Atlantic Breeze 24, Parklands 7441
Firmenanschrift: k. A.
Telefon (zu Hause): k. A.
Telefon (tagsüber): k. A.
Handy: k. A.
Adressen und Kontaktdaten Angehöriger: k. A.
Eine hastige Unterschrift unter einer Erklärung, dass er die Regeln und Vorschriften innerhalb des Komplexes akzeptierte.
»Fährt er einen Land Rover Defender?«
»Weiß ich nicht.«
Vusi schob ihr den Ordner zurück. »Vielen Dank«, sagte er und fügte hoffnungsvoll hinzu: »Haben Sie einen Schlüssel zu seinem
Haus?«
»Ja.«
»Könnten Sie uns bitte aufschließen?«
»Laut Vorschrift brauche ich dafür einen Durchsuchungsbeschluss.«
Bennie Griessel saß in der Leitstelle der Caledonplein-Wache, eine Karte der Stadt auf dem Tisch ausgebreitet, sein Notizbuch
und sein Stift darauf. Er hörte zu, wie der junge Sersant mit jedem Streifenwagen die Route durchsprach, die die Kollegen
abgefahren hatten. Er machte sich hastig Aufzeichnungen und versuchte, sich vorzustellen, wo sie sein könnte, wohin sie unterwegs
war, was sie unternehmen mussten. Er hatte Schwierigkeiten, sich zu |262| konzentrieren – es gab einfach zu viele Möglichkeiten und Unwägbarkeiten.
Sein Handy klingelte. Er gab dem Sersanten ein Zeichen, den Funkkontakt für einen Augenblick zu unterbrechen, warf einen raschen
Blick auf das Display und nahm den Anruf an.
»Vusi?«
»Bennie, wir brauchen einen Durchsuchungsbeschluss, um in das Haus reinzukommen.«
»Ist er nicht da?«
»Nein, ich glaube nicht. Wir klopfen gleich mal an, aber die Aufseherin hat einen Schlüssel.« Eine Stimme ertönte im Hintergrund.
»Die Verwalterin«, verbesserte sich Vusi. »Sie hat einen Schlüssel.«
»Die Verdachtsmomente reichen nicht aus für einen Durchsuchungsbeschluss, Vusi. Drei Zahlen eines Kennzeichens …«
»Hab ich mir schon gedacht. Okay. Ich melde mich wieder.«
Griessel legte das Handy hin, nahm den Stift in die Hand und bedeutete dem Sersanten, er könne fortfahren. Er blickte auf
die Karte und fuhr mit der Stiftspitze zu den Kompanjiestuine. Dort hielt sie sich auf.
Sein Instinkt sagte ihm, dass sie dort war, denn er kannte den De Waalpark, er kannte die Bo-Oranje, schließlich wohnte er
dort ganz in der Nähe. Das war sein Gebiet, seine Fahrradstrecke: Bo-Oranjestraat, Goewermentslaan, die Tuine. Wenn er sie
gewesen wäre, wenn er von Oranjezicht aus ungefähr in Richtung Langstraat hätte flüchten müssen, von Angst getrieben und ohne
sich auszukennen,
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