Dreizehn Stunden
jemand das Tor aufmacht.« Sie nickten eifrig. Er ging über die Straße und
dann an der Mauer entlang. Neben dem geschlossenen Tor befand sich eine Metallplatte mit einem Gitter vor dem Lautsprecher
der Gegensprechanlage, Klingelknöpfe, einige mit Namen daneben. Vusi suchte nach dem Namen de Klerk, fand ihn aber |257| nicht. Ganz oben links stand
Verwaltung
. Er drückte auf den Knopf. Ein elektronisches Summen im Lautsprecher. Keine Reaktion.
Er klingelte noch einmal.
Nichts.
Er blickte durch das Torgitter. Die Einfahrt verlief geradeaus, knickte dann um neunzig Grad ab und verschwand hinter einem
Häuserblock. Keine Menschenseele zu sehen, alle bei der Arbeit. Noch einmal betätigte er den Klingelknopf, ohne große Hoffnung.
Der Lautsprecher knackte und pfiff kurz. Eine tonlose Frauenstimme sagte: »Was wollen Sie?«
Sechzehn Stockwerke über der belebten Adderleystraat stand ein Mann am Fenster. Er drehte der luxuriösen Wohnung hinter sich
den Rücken zu und blickte über die Stadt. Vor ihm der Goue Akker, links das Cape Sun-Hotel, dahinter die Hochhäuser des Strandgebiets,
die sich mit ihren unterschiedlichen architektonischen Formen vor dem Horizont abzeichneten. Das Meeresblau war hier und da
zu sehen, jedoch verdorben von den Kränen im Hafen, zwei Ölbohrtürmen und Schiffsmasten.
Der Vollbart und die Haare des Mannes waren kurzgeschnitten, ordentlich, gleichmäßig, aber vorzeitig ergraut, denn er sah
aus, als sei er noch keine Fünfzig. In seinem Jeanshemd, der khakifarbenen Chinohose und den blauen Segelschuhen wirkte er
fit und schlank. Sein braungebranntes Gesicht im Spiegel des hohen, breiten Fensters drückte keinerlei Emotionen aus.
Eine Hand hatte er in die Hosentasche gesteckt, in der anderen hielt er ein flaches Handy. Er wandte den Blick vom Panorama
der Stadt ab und sah auf die Tastatur, tippte auswendig eine Nummer ein und hielt den Apparat ein paar Millimeter von seinem
Ohr weg. Er hörte einmal das Freizeichen, schon nahm Barry den Anruf an. »Mr B.«
Der Mann quittierte Barrys schnelle Reaktion und seine ruhige Stimme mit der Andeutung eines zufriedenen Lächelns.
»Ich übernehme die Kontrolle«, sagte er betont.
»In Ordnung.« Es klang erleichtert.
|258| »Beschreib mir das Haus.«
Barry gab sich Mühe und beschrieb das einstöckige Haus, das Eckgrundstück, die Lage der Eingangstür.
»Hat das Haus eine Hintertür?«
»Ich weiß nicht.«
»Aber wenn es eine hätte, müsste sie zur Belmont Street hin liegen?«
»Richtig.«
»Gut, ich schicke Eben und Robert, um diese Ecke zu decken. Aber ich gehe davon aus, dass sie das Haus nicht durch den Hinterausgang
verlassen wird, da sie nicht weiß, dass wir sie gesehen haben. Gehe ich recht in der Annahme, Barry?«
»Ja, Sir.«
»Und sie weiß auch nicht, dass wir das Haus beobachten.«
»Richtig.«
»Gut. So soll es auch bleiben. Wie ich höre, hast du nur einen Bewohner gesehen, einen alten Mann.«
»Richtig.«
»Keine Spur von anderen?«
»Nein, Sir.«
»Gut. Hör mir zu, Barry: Du, Eben und Robert, ihr müsst euch für den Notfall bereithalten. Wenn du den Anruf erhältst, geh
rein und hol sie raus, um jeden Preis. Hast du mich verstanden?«
»Ja, Sir.«
»Aber das gilt nur für den Notfall und nur, wenn sie die Polizei gerufen hat. Wir wissen nicht, warum sie sie noch nicht benachrichtigt
hat, aber sie könnte es jederzeit tun, und dann dauert es fünf Minuten, ehe wir Bescheid wissen.«
»Richtig.« Seine Stimme klang besorgt.
»Und was immer du tust, schnapp dir die Tasche.«
»Okay.«
»Und wir können keine Zeugen gebrauchen.«
»Ich habe keine Waffe.«
»Barry, Barry, was habe ich dir beigebracht?«
»Anpassen, Improvisieren und Siegen.«
»Exakt. Aber vielleicht ist es auch gar nicht nötig, denn wir |259| gehen davon aus, dass alles reibungslos verläuft. Es kann zwanzig, dreißig Minuten dauern, den Ablauf zu organisieren, damit
die Aktion schnell, leise und sauber über die Bühne geht. Bis dahin bist du mein wichtigster Mann, Barry. Wenn wir anrufen,
geh rein! Wenn sie das Haus verlässt, schnapp sie dir! Keine Fehler! Wir können uns keine weiteren Fehler erlauben. Hast du
das verstanden?«
»Ja, Sir.«
»Bist du sicher? Bist du dir über alle Konsequenzen im Klaren?«
»Ja, das bin ich.«
»Gut.«
Als der Grauhaarige das Handy wieder in die Hosentasche steckte, sah er den Polizeihubschrauber, der über die Tafelbaai angeflogen
kam, genau auf ihn zu.
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