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Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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sich kompliziert anstellte.
    »Ich helfe dir noch, deine Sachen hinaufzutragen«, sagte Vedran, »Frau Juric wohnt nämlich im vierten Stock …«
    Martin fiel auf, dass Vedran schon zum wiederholten Mal zwischen dem höflichen »Sie« und dem vertraulichen »Du« gewechselt hatte, was ihn umso mehr erstaunte, weil er wusste, dass im Unterschied zur Schweiz in Kroatien das »Sie« Fremden und Kunden gegenüber eine gesellschaftliche Konvention war. Er realisierte aber auch, dass der Taxifahrer das »Sie« immer dann verwendet hatte, wenn er, ganz Dienstleister, den Blick auf die Straße gerichtet, mit einem Kunden sprach, Martin aber immer dann geduzt hatte, wenn er einen fast Gleichaltrigen neben sich sitzen sah, der ihm sympathisch war und mit dem er vielleicht sogar mal ein Bier trinken würde.
    Neunundneunzig Stufen weiter oben bezahlte Martin seinen Fahrer, Wohnungsvermittler und Kofferträger großzügig und dankte ihm noch mit einem Handschlag, als er schon von der kleinen, zierlichen Frau Juric am Ellbogen in den Eingangsbereich der mit unglaublich hohen Decken ausgestatteten Jugendstilwohnung geführt wurde. Bevor die Witwe die Tür schloss, winkte Vedran Martin zu und nahm schnellen Schrittes die Treppen runter zu seinem Taxi.
    Nach kurzem Vorstellen und der Einigung auf die wöchentliche Miete, die Martin gleich bezahlte, zeigte Frau Juric ihm, wo sich was befand, und verabschiedete sich mit den Worten, sie gehe jetzt in die Küche lesen und er solle sich doch für ein paar Stunden hinlegen, er sei bestimmt sehr erschöpft von der langen Fahrt.
     
    |40| Stunden später betrat Martin ausgeruht, frisch geduscht und umgezogen die Küche.
    »Gut geschlafen?«, fragte Frau Juric von der Spüle aus, wo sie damit beschäftigt war, Sardinen zu entschuppen und auszunehmen.
    »Sehr gut, danke«, antwortete er.
    »Wo Sie was in der Küche finden, zeige ich Ihnen morgen. Aber jetzt sind Sie bestimmt durstig«, sagte Martins Gastgeberin, spülte ihre Hände und drehte sich, die Hände mit einem Küchentuch trocknend, zu ihm um.
    »Im Kühlschrank gibt’s kaltes Leitungswasser, Weißwein und Fruchtsaft, der Rotwein steht gleich hinter Ihnen in der Vitrine. Wollen wir gleich anstoßen? Auf Ihre gute Ankunft? Ich hole die Gläser, Sie den Wein und das Wasser. Rot oder weiß?«
     
    Zwei Gläser einheimischen Rotweins und einen kurzen Schwatz über Wetter und die allgemeine Lage im Land später, übernahm Frau Juric wieder die Führung und »entließ« Martin, indem sie ihm eröffnete, sie habe sich mit ihrer Nachbarin verabredet – was ebenso gut wahr sein konnte oder zuvorkommend, um Martin die Unannehmlichkeit zu ersparen, das Gespräch irgendwie beenden zu müssen, um sich davonmachen zu können – und statt ihn darum zu bitten, doch bitte leise zu sein, wenn er nach Hause kam, nannte sie ihm die Namen von zwei Bars, in denen er Leute in seinem Alter finden würde, darunter bestimmt auch die eine oder andere Schönheit.
    »Vielen Dank, Frau Juric, sehr lieb von Ihnen.«
    »Na los, raus jetzt, Sie brauchen etwas jüngere Gesellschaft. Und kommen Sie bloß nicht auf die Idee, die Weingläser abräumen zu wollen. Viel Vergnügen und bis morgen.«
    Martin lächelte, nickte und wünschte seiner Schlummermutter einen schönen Abend.
    Auf der Straße angekommen, entschied er sich für die zweite der empfohlenen Bars und ging nach rechts, auch weil er so die Abkürzung |41| durch die Marina nehmen konnte, in der er vor dem einen oder anderen Segelschiff stehenblieb und sich versicherte, dass er sich eines Tages ein solches leisten würde. Aber so gerne er die Schiffe noch länger betrachtet und bewundert hätte, ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er sich beeilen musste, wollte er das kleine Ruderboot erwischen, das einen für ein paar Münzen von der einen Seite des Hafens auf die andere brachte, denn die Barkajoli, meist alte Männer, Ex-Fischer und -Seeleute, deren Vorgänger vor Jahrhunderten angefangen hatten, hin und her zu rudern, machten das nicht die ganze Nacht lang.
    Es war Viertel vor acht, und Martin war sich nicht sicher, ob er schon zu spät dran war, also schritt er weit aus und beeilte sich und hatte wenige Minuten später den langen Pier erreicht, dessen dem offenen Meer zugewandte Seite zugleich eine mit Tausenden Tonnen schwerer Felsbrocken befestigte Hafenmauer war, die die dahinter ankernden Schiffe und Boote vor den Brechern der Herbststürme schützte.
    Der Pier war nicht besonders lang, aber in

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