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Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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der reißt die Tür auf, stellt sich neben einem auf und salutiert. »Besorg ihm eine Uniform und irgendein gutes Jagdgewehr, um den Papierkram kümmere ich mich.« Und damit dreht er sich um, geht zum Schreibtisch und setzt sich. Die Hand auf dem Telefonhörer sieht er auf und sagt, man sei entschuldigt und er habe ein Land zu verteidigen. Ein Knallen von Markos Stiefeln und ein Ellbogen, der einem knapp am Ohr vorbeigeht, als Marko salutiert, und man versucht es selbst und fühlt sich lächerlich dabei, was auch Marko zu finden scheint; er packt einen am Ärmel und zieht einen aus dem Raum, schließt die Tür, schleift einen weiter, obwohl man ihm unbedingt mitteilen möchte, dass das besagter Offizier war.
    Erst auf der Straße lässt er einen los, aber nicht, ohne einen vorher noch an die Wand des Polizeigebäudes gedrückt zu haben: Kein Wort solle man darüber verlieren. »Es war nicht derselbe Offizier und damit hat sich’s!« Man nickt, versteht, okay, jemandem, der einen deckt, dem fällt man nicht in den Rücken, indem man dumm und unüberlegt fragt oder Sachen in die Welt setzt, die niemanden zu interessieren haben. Wo die anderen sind, will man wissen. »Komm!«, sagt er knapp.
     
    Die Häuser hier sind nicht so zerschossen wie die Ruinen am Straßenrand, wo jedes zweite Haus aus nicht mehr als der einen oder anderen Seitenwand oder gerade noch aus dem Fundament besteht, aber Löcher gibt’s in den Wänden zuhauf, Fenster sind zugebrettert, andere mit Klebstreifen gesichert gegen die Erschütterungen von |122| Granateneinschlägen. Man folgt Marko schnellen Schrittes, und obschon man sich als Fremder fühlt zwischen all den Soldaten und Alten, Frauen und Kindern, die durch die Straßen gehen, als wären sie unterwegs zur Arbeit, zum Einkaufen oder zur Schule, scheinen die Einwohner einen nicht als Fremdkörper wahrzunehmen; man sieht müde und abgekämpft aus, verdreckt – und man trägt ein Gewehr, das ein Gewehr ist, wenn auch nach Joskos Einschätzung kein richtiges.
    Er werde einem jetzt einen Tarnanzug besorgen und ein Gewehr und was man sonst noch so finden könne. »Wo?«, fragt man und die Antwort lautet: »Dort!« – und der Blick folgt Markos Zeigefinger und man sieht eine Handvoll Männer vor einem Kellereingang stehen, rauchen, schweigend die älteren, die jüngeren nervös Witze reißend.
    Marko schleust sich und einen selbst an den Männern vorbei, dann Steingewölbe, der Geruch von Trauben und eine nackte Glühbirne über einem langen Holztisch, auf dem fein säuberlich Uniformen gestapelt liegen, welche Größe man trage, wird man gefragt. Man sagt sie und Marko schlägt bei allen Angaben eine Nummer drauf, bei der Jacke sogar zwei und man begreift – der nächste Winter kommt und Pullover sind dick.
    Der Kahlrasierte hinter dem Tisch drückt einem alles in die Hand, Stiefel, Hosen, ein Hemd, eine Jacke, einen Patronen- und Granatengürtel. Marko tritt hinter den Tisch, bückt sich zum Rasierten und flüstert ihm mit vorgehaltener Hand etwas ins Ohr. Der schaut einen durchdringend an, nickt, verschwindet in einem links anschließenden Raum und kommt mit einem alten, langen Lederetui zurück, in dem eine schmale Gitarre eingepackt sein könnte. Aber man weiß, dass es keine Gitarre ist, und der Mann kommt direkt auf einen zu und hängt einem das Etui über die Schulter. Dann nimmt er die Rechte, fasst einen an der Schulter und drückt fest zu, sagt, das sei das Gewehr seines Bruders und er wolle es zurückhaben, und als man in seine Augen blickt, wird einem klar, dass seine |123| Worte weniger eine Forderung als ein »Viel Glück, Junge« sind, der verpackte Versuch, einem alles Gute zu wünschen und dass man möglichst heil und in einem Stück zurückkommt. Man nickt und bedankt sich. »Nichts zu danken«, sagt er, geht zurück hinter den Tisch und winkt den nächsten Kandidaten runter, der brav seine Größe angibt, während man mit den Klamotten und dem schweren Gewehr Marko nach draußen folgt.
    »Munition holen wir später, falls Tomo nicht schon dran gedacht hat«, sagt Marko und man fragt, wohin man gehe und ob man sich irgendwo umziehen könne, darauf sein Blick, der daran zweifelt, ob man ganz dicht sei im Kopf und ob das Gewehr und die Klamotten nicht doch eine Verschwendung waren. Man murmelt etwas wie »Klar, okay, sorry!«, und man werde von jetzt an die Schnauze halten, und dann geht es durch kleine und kleinere Gassen, bis man nach einer Weile in einem verwilderten

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