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Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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oder morgen oder übermorgen zurückerobern werde. »Verloren«, lautet die knappe Antwort. »Wir werden versuchen müssen, sie nicht näher kommen zu lassen.« »Nicht bis zu Josips Haus?«, fragt man und bekommt zur Antwort ein Nicken. Alle Schweigen, also schweigt man auch.
    Die Straße ist leer, keine Autos in Sicht. Nach einer Weile dann ein Militärlaster, der vor der Gruppe eine Vollbremsung macht, und man steigt hinten mit ein und Marina setzt sich links und Josko rechts von einem. Man wagt immer noch nicht, Marina direkt anzusehen, sie könnte erkennen, alle könnten erkennen, wie sehr sie einem gefällt, aber sie nimmt einem die Sorge ab, legt einem eine Hand aufs Knie und sagt mit einem Blick zu Nada, die ihr gegenübersitzt, man solle sich keine Sorgen machen, alles werde gut. Man solle sich nur an Markos Geschichte halten, dann könne man heute Nachmittag vielleicht schon wieder mit – in einer richtigen Uniform. »Und vielleicht auch mit einem richtigen Gewehr«, fügt Josko lächelnd hinzu.
    Man fragt sich, was ein richtiges Gewehr ist und was mit dem nicht in Ordnung ist, das man zwischen die Oberschenkel geklemmt hat, aber man will sich nicht zum Idioten machen, wer weiß schon, vielleicht ist es nur eine Attrappe und die Soldaten, deren Köpfe und Oberkörper explodiert sind, waren nur Puppen zum Üben.
    »Ein Snipergewehr«, sagt Nada. Sie sitzt einem gegenüber und scheint sich zu amüsieren. Und ebenfalls Gedanken lesen zu können. Vermutlich steht es einem auf die Stirn geschrieben: Man hat keine Ahnung, was mit diesem Gewehr nicht in Ordnung ist, und man will Marina, will sie jetzt, will sie fressen, auf der Stelle. Die Stimme soll nicht zittern, als man den Mund auftut, und sie tut einem den Gefallen und man sagt es geradeheraus: »Warum? Warum ein Snipergewehr?«
    Weil man ein Sniper sei, sagt Boris, der sich auf der Holzbank des Lasters hingelegt hat, die Beine auf der Ladeklappe, eine Zigarette im Mundwinkel.
    |120| Das Thema scheint damit erledigt und wieder traut man sich nicht, etwas Intelligentes zu fragen, nur damit es sich als dumm rausstellt, und dieses Mal schafft man es auch, nicht von Nada »gelesen« zu werden. Wieder Schweigen und das Lottern des alten Lasters über die zerbombte Straße in Richtung Militärquartier und nach zwanzig Minuten ein lautes Quietschen und die Schwerkraft, die einen nach vorne schleudert, und man ist angekommen und Boro schon über die Laderampe gesprungen und hat sie geöffnet und Josko stupst einen an: »Na los, raus mit dir.«
     
    Über der Türe des Steinhauses steht »Polizei Gospic« und es geht die Treppen hoch in einen Gang, dort soll man stehenbleiben, so Marko, und man tut es und setzt sich schließlich, nachdem er nach fünf Minuten immer noch nicht aus dem Büro hinter den schweren Holztüren aufgetaucht ist, und als man schon aufstehen und ein Fenster öffnen will, um sich eine Zigarette anzuzünden, Schritte, der schwere Flügel der Tür wird aufgerissen und Marko winkt einen herein. »Das Gewehr?«, fragt man mit den Augen und hebt es hoch, und Marko nickt und winkt noch einmal, also geht man mit dem Gewehr in der Hand auf ihn zu, unsicher, was einen jetzt erwartet, ein sympathischer, älterer Oberst oder ein sadistischer Psychokommandant, und als man an Marko vorbei ist und der die Tür hinter einem schließt, bleibt man stehen und schaut auf den Rücken eines Mannes in Uniform, der mit verschränkten Armen zum Fenster hinausschaut.
    Man schweigt, wartet, irgendwann wird er sich schon umdrehen, denkt man und man überlegt noch mal, was man genau sagen muss, und als er sich schließlich umdreht, ist es der, der es nie und nimmer sein kann: Der Mann, der sich umdreht, ist der Offizier, dessen Pistole man zwei Nächte zuvor gestohlen hat, und so lässt man die Schultern sinken und hätte sich am liebsten hingelegt, auf den Parkettboden, und darauf gewartet, dass man in Handschellen abgeführt wird, aber der Offizier starrt einem in die Augen und sagt, |121| als würde er einen nicht erkennen, die Geschichte auf, die einem Marko zum Memorieren gegeben hat. Als er fertig ist, fragt er, ob das so richtig sei, und man fragt sich, ob man die Lüge selbst so kohärent hingekriegt hätte und warum er das tut, weshalb er mitspielt, aber man wird durch die Frage auf dem falschen Fuß erwischt, oder auch auf dem richtigen, denn ohne etwas Falsches sagen zu können, nickt man, hustet ein »Ja, das ist richtig«, und der Offizier ruft nach Marko und

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