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Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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schneller und macht, dass man vom Baum runterkommt und Darko weckt.
    Immerhin hat man sich wenigstens gemerkt, wen man wecken muss, denkt man sich, als man vor dem Baum steht und überlegt, |232| in welchem der Löcher Darko liegt. Man schließt die Augen und versucht sich zu erinnern. Links von Antun.
     
    Josko stupst einen an, weckt einen mit dem Gewehrlauf. Man hat nicht mitbekommen, dass er den Astdeckel entfernt hat.
    »Komm, wir müssen los«, sagt er mit heiserer Stimme. Die Stunden im feuchten Grab scheinen auch ihm nicht besonders gut bekommen zu sein. Man blinzelt zu ihm hoch, hält die Hand vor die Augen. »Es ist noch hell«, sagt man mit einem Blick zu den Baumwipfeln, die sich leicht vor und zurück bewegen.
    »Ja«, sagt Josko nur und man fragt mit trockenem Mund, wie spät es ist. »Fünf Uhr nachmittags. Zeit, aufzubrechen.«
    Er hält einem die Hand hin und man lässt sich von ihm aufhelfen, setzt sich aber sogleich wieder hin. An der Kante des Erdlochs sitzend, stützt man den verkaterten Kopf in die Hände. »Aber es ist ja noch hell«, hustet man und sieht wieder zu ihm hoch.
    Josko nickt. Klopft einem auf die Schulter. »Ich weiß«, sagt er, »aber wenn wir jetzt nicht aufbrechen, kommen wir zu spät.«
    Er hält einem erneut die Hand hin und man nimmt sie und lässt sich aus dem Loch helfen.
    »Zu spät?«
    »Wir machen es nicht morgen früh, sondern heute Nacht.«
    »Was?«
    »Was ist los?«
    Marko. Man dreht sich um, zu schnell, es wird einem kurz schwindlig und man muss sich an Josko festhalten.
    »Alles okay«, sagt Josko und hakt einen unter. »Wir waren gerade dabei, etwas zu essen zu fassen.«
    »Na dann macht vorwärts, in zehn Minuten brechen wir auf.«
    Marko ist schlecht gelaunt. Kein gutes Zeichen, denkt man, bisher hat er auch unter den schlimmsten Umständen immer eine große Ruhe, beinahe schon Güte ausgestrahlt. Wovon gerade nichts zu spüren ist.
    |233| Während man Josko zur Gruppe folgt, wo Marko sich gerade neben Antun setzt, fragt man Josko, was mit Marko los sei und warum der Planwechsel. Er bleibt stehen, stoppt einen mitten im Schritt, indem er einem seine große Hand gegen die Brust drückt.
    »Hör zu«, flüstert er, zu einem hinuntergebeugt, »ich erklär’s dir später. Jetzt hältst du einfach die Klappe und isst was, okay?« Er packt einen an den Schultern und sieht einem ernst in die Augen. »Keine Fragen mehr.«
    »Keine Fragen mehr«, bestätigt man und er klopft einem auf den Rücken, um einen zum Weitergehen zu bewegen.
    Man isst in Stille. Marina gibt eine Feldflasche mit Kaffee und Schnaps in die Runde. Nach etwas Brot, Speck, Käse und Kaffeeschnaps fühlt man sich besser. Man hätte Lust, etwas zu sagen, etwas zu fragen, aber alle schweigen und Joskos Blick sagt einem, man solle das auch tun.
     
    »Was zum Teufel war das?«, fragt man ihn, als man um Viertel nach fünf neben ihm und hinter Antun her bergauf durch den Wald geht.
    »Marko ist sauer, weil er einen Funkspruch bekommen hat, der sagt, dass wir heute noch angreifen müssen. Das ist absolute Scheiße, weil sie im Dunkeln unser Mündungsfeuer sehen, absolute Scheiße, weil wir uns nicht ausruhen können und absolute Scheiße, dass wir direkt nach dem Marsch und dem Abschuss fliehen müssen.«
    »Aber wenigstens ist Nacht und sie sehen uns auf der Flucht nicht, oder?«
    Man versucht, irgendetwas Positives zu sagen, zu denken, zu fühlen, aber Josko will nichts davon hören.
    »Mal sehen, was der Mond dazu meint«, sagt er.
     
    Stummes Dahinmarschieren. Den Übergang von Tag zu Nacht nimmt man gar nicht wahr. Irgendwann macht die Gruppe halt. |234| Man sitzt im Kreis, um ein paar Bissen Brot mit Schnaps runterzuspülen und eine letzte Zigarette zu rauchen.
    »Wir werden bald auf erste Patrouillen stoßen. Damit das klar ist: Wir dürfen unter keinen Umständen entdeckt werden. Sollte es geschehen, lenken wir, das heißt alle außer den Snipern, die Aufmerksamkeit auf uns, damit die beiden weiterkommen. Koste es, was es wolle.«
    Darko schaut einen an und nickt. Sollte die Gruppe entdeckt werden, wird man alleine mit Darko bis zur feindlichen Stellung vorstoßen und mindestens das Ziel, den einen oder anderen Offizier erschießen.
    »Was ist mit der zweiten Gruppe?«, fragt Marina.
    »Die warten, bis wir schießen. Es ist jetzt halb neun, um zehn müssen wir loslegen, sonst übernimmt die zweite Gruppe. Alles klar?«
    Alle nicken. Marina sieht einen an und versucht ein Lächeln. Man lächelt

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