Dringernder Verdacht
stehe zwar auch nicht gerade auf
Zigarettenrauch, aber angesichts ihres Affentheaters fand ich mich plötzlich auf
seiner Seite. »Lassen Sie nur. Es stört mich nicht«, sagte ich.
Sie nahm mit spitzen Fingern einen
Aschenbecher und zog eine Grimasse. »Auch wenn es Sie nicht stört — es ist
ekelhaft«, sagte sie. »Ich hole schnell den Geruchvertilger.« Sie ging aus dem
Zimmer und nahm den anstößigen Aschenbecher mit. Der Spannungspegel fiel um
einen Strich. Ich wandte meine Aufmerksamkeit der Wand über dem Kamin zu, wo
lauter gerahmte »Star«-Fotos hingen. Ich trat näher heran, um sie mir genauer
anzusehen. »Sind Sie das?«
»Hauptsächlich«, sagte er.
Da war Peter Weidmann mit dem
Bürgermeister bei einem feierlichen ersten Spatenstich, Isabelle Barney im
Hintergrund, Peter bei einem Bankett, wo er eine Art Urkunde erhielt, Peter auf
einer Baustelle, zusammen mit dem Chef der Baufirma. Dieses Bild war offenbar
in der Lokalzeitung erschienen, denn jemand hatte den Druck ausgeschnitten,
gerahmt und neben das Original gehängt. Der Unterschrift zufolge handelte es
sich um die Einweihung eines neuen Erholungszentrums. Aus den Autos im
Hintergrund schloss ich, dass die Mehrzahl der Fotos aus den frühen siebziger
Jahren stammte. Neben den öffentlichen und gewerblichen Projekten hingen da
auch Bilder von Wohnhäusern. Zwei Fotos zeigten drittklassige »Filmstars«,
deren Domizile er offenbar entworfen und gebaut hatte. Ich nahm mir einen
Moment Zeit, um die ganze Galerie zu studieren, ebenso interessiert an Isabelle
wie an ihm. Ich sehe gern Leute bei der Arbeit. Das Berufsleben bringt Seiten
von uns zum Vorschein, die niemand erahnen würde, der uns nur im »zivilen«
Rahmen erlebt.
Mit Helm und Overall wirkte Peter jung
und sehr selbstsicher. Das kam nicht nur daher, dass die Bilder schon etliche
Jahre alt waren. Es musste der Höhepunkt seiner Karriere gewesen sein, die
Zeit, als alles lief. Er hatte an großen Projekten gearbeitet. Er musste
Anerkennung bekommen, Einfluss, Geld und Freunde gehabt haben. Er wirkte
glücklich. Ich sah auf den Mann neben mir, der im Vergleich dazu so dumpf
wirkte.
Ich ertappte ihn dabei, wie er auf
meine Reaktion lauerte. »Toll«, sagte ich.
Er lächelte. »Ich habe viel Glück
gehabt.« Er zeigte auf eines der Fotos. »Sam Eaton, der Senator«, sagte er.
»Ich habe ein Haus für ihn und seine Frau Mary Lee gebaut. Das hier ist Harris
Angel, der Hollywood-Produzent. Sie haben sicher schon von ihm gehört.«
Ich sagte: »Der Name kommt mir bekannt
vor«, obgleich das ganz und gar nicht stimmte.
Yolanda kam mit dem Geruchsvertilger
zurück. »Maria hat ihn ausgerechnet in den Kühlschrank gestellt«, sagte sie.
Sie stellte ihn auf den Tisch und nahm die Kappe ab. Als sich die Duftmischung
aus WC-Reiniger und Schuhcreme breit machte, sehnte ich mich förmlich nach dem
kalten Zigarettenqualm.
Ich überflog rasch den Rest des
Zimmers. Ein Stapel Zeitungen auf dem Fußboden neben Peters Ledersessel, ein
kleinerer Stapel auf der Ottomane, auf dem Tischchen Zeitschriften und Ränder
von Geschirr. Ein großer Holztisch stand unter den Fenstern, die zum Garten
hinausgingen. Darauf eine alte Reiseschreibmaschine, ein Stapel Bücher und ein
zweiter Aschenbecher voller Kippen. Vor dem Tisch ein alter Esszimmerstuhl und
daneben ein zweiter Stuhl, voll gepackt mit Taschenbüchern. Der Papierkorb war
voll.
Sie registrierte meinen Blick. »Er
arbeitet an einer Baugeschichte von Santa Teresa.« Ich merkte plötzlich, dass
sie bei aller Feindseligkeit auch stolz auf ihn war.
»Klingt interessant.«
»Ist nur so eine Spielerei von mir«,
warf er ein.
Sie musste wieder lachen. »Ich kann ihm
Arbeit genug geben, wenn er das über hat. Setzen Sie sich doch, falls Sie ein
Plätzchen finden. Ich hoffe, Sie können Unordnung verkraften. Ich lasse nicht
mal mehr die Putzfrau hier herein. Es ist zu verkommen. Sie kann das ganze Haus
in der Zeit machen, die sie brauchte, um in diesem einen Raum Ordnung zu
schaffen.«
Er lächelte verlegen. »Ach, Yolanda,
sei nicht ungerecht. Ich mache ja selbst sauber... manchmal sogar zwei Mal im
Jahr.«
»Dieses Jahr aber nicht«, gab sie ihm
eins drauf.
Er ließ das Thema fallen. Er räumte
seinen Ledersessel für sie frei und zog für mich einen Esszimmerstuhl heran.
Ich schob ein paar Ordner beiseite, um Platz zum Sitzen zu schaffen.
»Legen Sie die Ordner einfach auf den
Boden«, sagte sie.
»Es geht schon.« Ich war das Spielchen
langsam leid
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