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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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getragen. Die meisten Fenster waren unregelmäßig
geformt, eigens darauf angelegt, einen bestimmten Ausschnitt des Seeblicks
einzufangen. Ich vermutete, dass die Fußböden aus rohem Estrich und die Wasser-
und Heizungsrohre offen sichtbar waren. Dazu noch ein paar Trennwände aus Wellplastik
und ein Innenhof mit Kunstrasen, und es war genau die Sorte Haus, die Metropolitain
Home als »geradlinig«, »kompromisslos« oder auch »genial-ikonoklastisch«
bezeichnen würde. »Gnadenlos ungemütlich« träfe es auch. Man muss nur genügend
Geld dafür hinlegen, und alles gilt als geschmackvoll.
    Ich stellte meinen Wagen auf dem
Randstreifen ab und marschierte die Straße entlang zurück. In genau sieben
Minuten war ich bei Isabelles Einfahrt angelangt. Bis zum Haus waren es
höchstens noch einmal fünf. Wenn man die Strecke nachts zurücklegte und nicht
gesehen werden wollte, musste man sich in die Büsche drücken, wenn ein Auto
vorbeikam. Zu Fuß würde einem so spät wohl niemand begegnen. Als ich zu meinem
Wagen zurückging, sah ich wieder auf die Uhr. Acht Minuten diesmal, aber ich
hatte mich auch nicht beeilt. Ich notierte mir die Namen auf den Briefkästen an
der Straße. Vielleicht wussten die Nachbarn irgendetwas, was uns weiterhalf. Um
das herauszufinden, würde ich Klinken putzen müssen.
    Ich hatte mich für halb vier bei den
Weidmanns angemeldet. Also blieben mir noch zwanzig Minuten. Bei den meisten
Aufträgen, die ich übernehme, geht es darum, Übeltäter aufzustöbern:
Einbrecher, abgetauchte Schuldner, Unterschlagungstäter, Schwindler,
Versicherungsbetrüger. Gelegentlich forsche ich auch nach vermissten Personen,
aber das Vorgehen ist immer mehr oder weniger gleich: als ob man an einem
gestrickten Teil herumzupft, bis man ein loses Fadenende gefunden hat. Man muss
nur an der richtigen Stelle ziehen, und das ganze Ding ribbelt sich auf. Aber
das hier war etwas anderes. Diesmal war der Bösewicht bekannt. Die Frage war
nicht, wer es war, sondern, wie man ihn zur Strecke bringen konnte. Morley
Shine hatte schon ausgiebige (wenn auch schlampig durchgeführte) Ermittlungen
angestellt und keinerlei Ergebnis zu Tage gefördert. Jetzt war ich dran, aber
was blieb mir noch zu tun? Ich kritzelte auf meinem Notizblock vor mich hin, in
der Hoffnung auf einen Geistesblitz. Die meisten meiner Kritzeleien sahen aus
wie dicke, fette Gänseeier.
     
     
     

6
     
    Es ist eine langjährige Beobachtung von
mir, dass sich die reichen Leute in zwei Gruppen unterteilen: die, die haben,
und die, die mehr haben. Was nützt einem der ganze schöne Status, wenn man sich
nicht anderen aus der eigenen Peer-Group überlegen fühlen kann? Dass die
Reichen ihren eigenen Club bilden, heißt noch lange nicht, dass sie den Wunsch
aufgegeben haben, etwas Besonderes zu sein. Nur ist der Kreis der Auserwählten
erlesener, sind die Maßstäbe exotischer. Ein Punkt ist die Bewertung des
Immobilieneigentums. Villen — von den Einfamilienhäuschen der mittleren
Einkommensschichten leicht zu unterscheiden — lassen sich ihrerseits anhand
einiger leicht zu merkender Kriterien weiter klassifizieren. Zunächst sind da
Größe und Lage des Anwesens zu berücksichtigen. Dann gilt: je länger die
Zufahrt, desto mehr Punkte. Das Vorhandensein eines privaten Wachmanns oder
eines Rudels scharfer Hunde zählt natürlich mehr als eine schlichte
elektronische Alarmanlage, es sei denn, es handelt sich um ein extrem
raffiniertes System. In Rechnung zu stellen sind ferner Faktoren wie
Gästehäuser, stachelbewehrte Tore, reflektierende Bassins, kunstvoll
beschnittene Bäume und Büsche sowie eine üppige Außenbeleuchtung. Natürlich
variieren die Punktzahlen von Ort zu Ort, aber keine dieser Kategorien darf bei
der Einstufung einer Person ganz außer Acht gelassen werden.
    Die Weidmanns wohnten an der Lower
Road, einer der weniger angesehenen Adressen in Horton Ravine. Trotz des
gehobenen Flairs der Gegend war die Hälfte der Häuser ziemlich banal. Das der
Weidmanns war ein eher unscheinbarer, einstöckiger, blassgrüner Steinbau mit
schmiedeeisernen Vordachträgern und einem Kunststein-Flachdach. Das Grundstück
war groß und hübsch gestaltet, aber das Haus stand zu dicht an der Straße, um
viel herzumachen. Angesichts der Tatsache, dass Peter Weidmann Architekt war,
hatte ich mehr erwartet: eine aufwendige Außengestaltung, einen
Vergnügungspavillon oder einen Hallenpool, irgendwelche Extras, die das ganze
Spektrum seiner fachlichen Fähigkeiten

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