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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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das
auch so?«
    »Es steht mir nicht zu, über sie zu
richten.«
    »Ich möchte nicht, dass Sie über sie
richten. Ich möchte nur Ihre persönliche Meinung hören. Das könnte mir helfen,
mir ein Bild zu verschaffen.«
    Er dachte kurz über meine Worte nach
und fand sie offenbar einleuchtend. »Sie hatte es schwer. Ich weiß nicht, was
ich sonst noch sagen soll.«
    »Wie lange hat sie für Sie gearbeitet?«
    »Gut vier Jahre. Eine Art informelle
Ausbildung.«
    »Simone sagte mir, sie hätte nicht
Architektur studiert«, bemerkte ich.
    »Das ist richtig. Isabelle hatte keine
offizielle Ausbildung. Sie hatte brillante Ideen. Sie sprudelte über vor Elan.
Es war, als kämen ihre Kreativität und ihre selbstzerstörerischen Impulse aus
ein und derselben Quelle.«
    »War sie manisch-depressiv?«
    »Sie schien immer sehr angespannt, und
deswegen hat sie wohl auch getrunken«, sagte er.
    »Sie hat getrunken, weil sie
Alkoholikerin war«, warf Yolanda ein.
    »Das wissen wir nicht«, sagte er.
    Sie konnte darüber nur lachen und
klopfte sich auf die Brust, um ihre Erheiterung zu bezwingen. »Kein Mann wird
jemals zugeben, dass eine schöne Frau Fehler hat.«
    Wieder spürte ich, wie sich die
Spannung in meinem Nacken ballte. »Was für ein Mensch ist David Barney? Er ist
ja wohl Architekt. Ist er talentiert?«
    Yolanda sagte: »Er ist ein Handwerker
mit Ambitionen.«
    Peter wischte ihre Antwort beiseite. »Er
ist ein ausgezeichneter Techniker«, sagte er.
    »Ein Techniker?«
    »Das ist keine Kritik.«
    »Er ist der Beklagte. Sie können ruhig
Kritik an ihm üben.«
    »Das möchte ich ungern. Wir sind
schließlich Kollegen, auch wenn ich jetzt im Ruhestand bin. Das hier ist eine
kleine Stadt. Ich denke, es steht mir nicht zu, mich über sein Können zu
äußern.«
    »Und wie ist er als Mensch?«
    »Ich habe mich auf der persönlichen
Ebene nie näher mit ihm befasst.«
    »Ach, Herrgott, Peter! Warum sagst du
ihr nicht die Wahrheit? Du kannst den Kerl nicht ausstehen. Niemand kann ihn
leiden. Er ist unehrlich und verschlagen. Er manipuliert andere, wo er kann.«
    »Yolanda!«
    »Hör auf mit deinem >YolandaSie wollte unsere Meinung hören, und ich sage ihr, was ich denke. Du bist immer
so bemüht, nett zu sein, dass du es schon gar nicht mehr schaffst, die Wahrheit
zu sagen. David Barney ist ein Ekel, Peter wollte, dass wir auch privat Kontakt
mit ihm pflegen, und er hat es auch durchgesetzt, gegen meinen Protest. Ich
fand, das ging zu weit. Solange die beiden noch in Peters Firma waren, habe ich
mich bemüht, höflich zu sein. Mir lag nichts an David, aber ich habe getan, was
von mir erwartet wurde. Isabelle hatte der Firma enormen Aufschwung gebracht,
und dafür waren wir ihr verbunden. Aber als sie sich dann mit David einließ...
Er war kein guter Einfluss.«
    Ich konzentrierte mich wieder. Sie
würde eine hervorragende Zeugin abgeben, wenn sie sich ein bisschen
zusammennahm. »Wie hat sie es denn geschafft, so viele Aufträge
hereinzubringen?«
    »Sie hatte eine Menge Geld, und sie
verkehrte in den richtigen Kreisen. Die Leute waren beeindruckt von ihr, weil
sie allgemein für ihren erlesenen Geschmack bekannt war. Sie war sehr en
vogue. Wenn sie etwas aufbrachte, übernahmen es alle.«
    »Und als sie und David aus der Firma
ausschieden, haben sie einen Großteil der Kunden mitgenommen?«
    »Das ist nicht ungewöhnlich«, sagte
Peter hastig. »Natürlich ist es unangenehm, aber es passiert in jeder Branche.«
    »Es war eine Katastrophe«, sagte
Yolanda. »Kurz darauf hat sich Peter zur Ruhe gesetzt. Das letzte Mal, dass wir
sie gesehen haben, war bei ihrer Essenseinladung am Labor-Day-Wochenende.«
    »Als die Pistole verschwand?«
    Die beiden wechselten einen Blick.
Peter räusperte sich wieder. »Wir haben später davon gehört.«
    »Wir haben es mitgekriegt. Sie hatten
einen schrecklichen Streit oben im Schlafzimmer. Wir wussten natürlich nicht,
worum es ging, aber es kann nur das gewesen sein.«
    »Haben Sie eine Vermutung, wer die
Pistole genommen haben könnte?«
    »Natürlich er «, sagte Yolanda, ohne auch nur einen
Sekundenbruchteil zu zögern.
     
     
     

7
     
    Ich fuhr noch beim Büro vorbei, um
meine Notizen abzutippen. Das Lämpchen an meinem Anrufbeantworter blinkte
fröhlich. Ich drückte die Abhörtaste. Es war Isabelles Freundin Rhe Par-sons.
Sie klang gehetzt und mechanisch, wie jemand, der einen Anruf tätigt, nur um
ihn hinter sich zu bringen. Ich wählte ihre Nummer und blätterte in einer

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