Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
bin ich in der Jugend des legendären 1 . FC Nürn berg gelandet, Abteilung Handball. Feldhandball, genauer gesagt. Die haben uns dort wirklich von der Straße weg eingefangen, weil sie nicht genug Nachwuchsspieler hatten.
Dumm war bloß: Ich hatte keine Ahnung vom Handball, hatte nie zuvor gespielt. Aber dort habe ich zum ersten Mal das berühmte weinrote Clubtrikot bekommen, ein Heiligtum. Damals hast du das ja nicht beim Merchandising kaufen können, im Kaufhof oder im Fanshop. Das musste man sich hart erarbeiten, das hast du nur als Mitglied gekriegt. Das war ein Ehrenzeichen, das war das Größte. Ich habe eine Woche in diesem weinroten Trikot geschlafen.
Beim Club durfte ich auch ein bisserl Fußball spielen. Aber so richtig zügig voran ging es mit mir beim Handball. Mit Kreisauswahl, Mittelfrankenauswahl, Bayernauswahl, Lehrgang in Grünwald. Fußball ging dann aus Zeitgründen nicht mehr und Schule eigentlich auch nicht. Ich musste immer neue Aus reden erfinden. Aber meine Versetzung in die damalige sechste Klasse, die heutige zehnte, konnte ich bei aller Mühe nicht mehr erfinden, denn die fand nicht mehr statt. Mir waren die Schwindeleien ausgegangen und ich musste eine Ehrenrunde drehen. Meine Eltern waren mehr traurig als wütend. Aber in Latein, Mathe, Französisch war ich eindeutig an meine natürlichen Grenzen gekommen, und meine Handballverrückt heit tat das ihre dazu. Rien ne va plus. Mathe habe ich nach der Volksschule nie mehr begriffen und begreife es heute noch nicht. Mathe, Physik, Chemie blieben mir fremd wie der Kommunismus, mir erschien das alles höchst rätselhaft. Und Chemie verstehe ich bis heute nur, wenn es um Mixgetränke an der Bar geht.
Aber immerhin: Der liebe Gott hat mir ein fantastisches Gedächtnis geschenkt. Was ich einmal gelesen oder gesehen habe, vergesse ich nicht mehr. Das half in den Lernfächern. Und beim Einpauken von Moderationstexten.
Im Wiederholungsjahr wurde es trotzdem erneut eng. Fran zösisch! O weh! Beziehungsweise: Merde! Aber dann ergab sich ein vielversprechender Deal. Der Klassenlehrer ließ mich antre ten: Hartmann, wir machen ein Geschäft. An der Schule will dich keiner mehr sehen. Doch ich will dir auch nicht für dein Leben schaden. Wenn du mir versprichst, dass du gehst, möglichst weit weg, gebe ich dir einen Vierer in Mathe. Das langt dann, trotz des Latein-Fünfers. Und du schaffst die sechste Klasse, deinen Abschluss und damit die Oberstufenreife. Die Alternative war: kein Schulabschluss. Denn Ausweichmöglichkeiten wie heute, Fachoberschule oder drei andere Hintertürchen, die gab es nicht.
Bis dahin hatte mich gerettet, dass an der Schule alle handballbekloppt waren. Ich bin deshalb sogar zum an meiner Schule bevorzugten TSV 1846 Nürnberg gewechselt. Weinrotes Trikot ade, ein schwerer Schritt! Aber das half jetzt auch nichts mehr. Denn ich hatte mich zum ersten Mal praktisch um Kopf und Kragen geredet. Ich war ja meistens Klassensprecher, bevorzugt stellvertretender – denn da hatte man was zu sagen, aber nicht die ganze Verantwortung. Die Kameraden wussten immer: Wenn es Probleme gibt, verbrennt sich der Waldi schon die Gosche für uns. Das ging dann so: »Herr Professor, die Klasse bittet darum, dass wir heute keine Hausaufgaben kriegen, weil wir gegen die 6 c ein Fußballspiel haben.« Darauf der Herr Professor: »Die Klasse wünscht sich gar nichts, Hartmann. Du wünschst dir das.« Und schon hatte ich wieder die Arschkarte. Ich war im Lehrkörper also nicht übertrieben populär.
Und so ging Waldi …
Schule ade!
3
DU BIST NICHT ALLEIN
Meine Roy-Black-Story
Das Internet hat ja die unangenehme Eigenschaft, nichts zu vergessen. Bettina Wulff musste das sehr zu ihrem Leidwesen erleben. Und auch über mich hat der große Bruder Google einiges zu bieten, was sich wohl nie mehr aus der Welt schaffen lässt. Wobei: Die Waldi-Geschichten sind, Gott sei Dank, harmloser als bei Frau Wulff. Das Lieblingsgerücht über den jungen Waldemar Hartmann, und zwar bis heute, mit 102000 Suchergebnissen im Internet, wie ich Ende 2012 mit Staunen festgestellt habe: Waldi war Bassist in der Band von Roy Black.
Klingt spannend – stimmt aber leider nicht. Also, um das ein für alle Mal aufzuklären, vielleicht kapiert’s ja irgendwann auch Google. Die Geschichte geht so: Zwei Jungs in meiner Klasse am Willstätter-Realgymnasium in Nürnberg und weitere zwei in der Parallelklasse spielten in der Schulband, namens The Blizzards. Die haben auf allen
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