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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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Genau wie das Gefühl, eine Musik machen zu müssen, die er eigentlich nicht mag, die Schlager, den ganzen Kitsch. Und damit dann auch noch ins Tal zu geraten, ins Abseits. Wenn du etwas machst, das du nicht magst und damit Erfolg hast, ist das vielleicht noch in Ordnung. Aber etwas zu machen, das du nicht magst und damit keinen Erfolg mehr hast – das muss die Hölle sein, Und das war die Hölle für Roy Black. Alkohol, Drogen, aus dem Klofenster stürzen – schöne Schlagerwelt. Dafür brauchst du eine stabile Psyche. Und die hatte er nicht. Schön ist es auf der Welt zu sein? Von wegen.
    Wenn ich heute im Radio ein Lied von Roy Black höre oder beim Zappen auf einen alten Film stoße oder auf das Schloss am Wörthersee – das ist immer eine Reise in die Vergangenheit, zu den Wurzeln. Was im Nachhinein über ihn berichtet wurde, das uneheliche Kind, die Erbstreitigkeiten, der viele Schmutz – das hat mich abgestoßen und nicht mehr interessiert. Mein Bild von Roy Black, von Gerd Höllerich ist ein anderes. Mein Bild ist das eines liebenswerten, herzensguten, eines vielleicht zu guten Menschen, eines ganz großen Gefühlsmenschen – und das will ich behalten.
    Die Blizzards-Geschichte ging jedenfalls weiter. Als Roy Black & The Blizzards bekannter wurden, mussten sie 1966 ihren Namen ändern, denn es gab schon eine Hamburger Band, die Blizzards hieß. Zeitgemäß, schließlich waren das die frühen Hippiejahre, benannten sie sich um in »Improved Sound Limited«. Irgendwann wurden sie im Bayerischen Rundfunk zur »BBBB« gewählt, zur »Besten Beat-Band Bayerns«. Sie mach ten Filmmusik, TV -Musik für den Kommissar , alle von ihnen waren fantastische Musiker.
    Und Rockin’ Waldi? Versuchte es noch einmal mit der Schule. Aber im Frühjahr 1966 habe ich schon gemerkt: Hartmann, das wird eng, das wird nix mehr. Also mit achtzehn Einstieg ins ehrliche Berufsleben. Lehre bei der Nordstern in Nürnberg – ausgerechnet Versicherungskaufmann! Es war grauenvoll. Waldi, der Conferencier, der Freund der jungen Damen, hatte eine neue Aufgabe: Akten bei der Post abholen, Akten im Keller einlagern, Akten von hinten nach vorne räumen und zurück, Brotzeit holen. Und danach das ganze Programm wie der von vorne. Ich versauerte. Die Rampensau verstaubte im Aktenkeller.
    Die Materie an sich hat mich durchaus interessiert. Ich wollte gern Anwalt werden wie Perry Mason im Fernsehen. Das waren ganz große Auftritte, die ich dort von ihm sah: Plädoyers halten, Goschen spielen lassen, den Rächer der Enterbten geben. Meine Auftritte bei der honorigen Firma Nordstern fielen dagegen vergleichsweise bescheiden aus. Ich hatte damals nur einen Gedanken: Das kann’s nicht sein. Das ist nicht mein Leben.
    Trost verschafften mir meine nächtlichen Ausflüge in den Gaslight-Club. Durch meine Auftritte mit den Blizzards und meine kleine Rolle am Theater der Jugend war ich in den Teufelskreisen, die damals in Nürnberg unterwegs waren, durchaus schon bekannt. Und es kam, was kommen musste: Irgendwann hat Nordstern-Waldi damit begonnen, im Gaslight Platten aufzulegen – was dazu führte, dass ich nie vor fünf Uhr früh dort herauskam.
    Aber um acht wartete bereits Herr Nordstern auf mich. Ich musste also wieder tricksen. Ich erfand dringende Jobs, die ich im tiefen Nordstern-Keller zu erledigen hatte, umfangreiche Umsortierungen von Akten, die dringend durchzuführen waren – und schlief mich da unten erst mal zwischen meinen Aktenordnern aus. Vermisst hat mich ohne hin niemand. Ich wusste noch nicht, was mein Leben war. Aber der Keller der Firma Nordstern war es garantiert nicht.
    Irgendwann hat diese wunderbare Firma mit dem Spruch »Nordstern, mein Glücksstern« Reklame gemacht. Mein Glücks stern sah allerdings anders aus.
    Bis eines Tages der Anruf kam, der mein Leben veränderte. Gerd Höllerich war dran. Herr Black. Der neue Superstar. Mein Erlöser, ganz in Weiß. Es war doch schön, auf der Welt zu sein. Gerd hatte eine Botschaft, die ich ersehnt hatte wie Moses die Zehn Gebote, und diese Offenbarung klang so: »Waldi, hör mal, eine Gruppe aus München zieht in Augsburg einen Riesenladen auf, das Big Apple. Komm doch und mach dort den DJ . Oder was ist jetzt mit deiner Lehre? Hast du Spaß bei deiner Versicherung?«
    Hatte ich nicht, Roy. Hatte ich ganz und gar nicht.
    Also wollte ich mir das wenigstens mal anschauen, was die so trieben, in Augsburg, in dem Riesenladen. Ich bin von Nürnberg nach Augsburg getrampt. Was dort

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