Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Schulfesten gerockt, wie das damals eben so üblich war in der frühen Beat-Ära. Und irgendwann habe ich zum Gitarris ten, der sich standesgemäß, denn alles Englischklingende war Trumpf, den Namen Johnny zugelegt hatte, gesagt: Mensch, ich würde so gern mal bei euch singen! Denn singen – das klang nach Rock ’n’ Roll! Nach Beatles! Nach Ruhm! Und vor allem nach Mädchen! Johnny war begeistert: »Na klar, dann sing doch!«
Also sang ich, 1965 , mit siebzehn. Und ich war plötzlich ein Blizzard – wenn auch nur ein Gast-Blizzard, was aber nie mand so genau nahm. Also mehr oder weniger ein Popstar! Ein Held! John Lennon, aufgepasst, Waldi kommt!
Mein Gott, was habe ich alles gesungen damals: »Glad all over« von den Dave Clark Five, »Don’t Ha Ha« von Casey Jones & The Governor und so’n Zeug eben. Auf jedem Fest, auf dem die Blizzards gespielt haben, war auch ich, und habe meine drei, vier Gstanzl gesungen. Auf der Bühne habe ich gesät – und danach im weiblichen Teil des Publikums zu ernten ver sucht. Die Ernte war durchaus reich. Aber ich muss auch sagen: Ich war kein Vollender damals. Ich war wie ein Fußballer mit Tendenz zum Mittelfelddirigenten. Wenn ich drei Gegner um spielt habe und allein vor dem Torwart stand, musste ich die Kiste nicht auch noch machen. Ich mochte es schwieriger. Gottlob blieb ich nicht auf ewig »Waldi, der Unvollendete«.
Bass gespielt habe ich jedenfalls nicht. Ich habe den Bass vielleicht einmal in der Hand gehabt, mit zwei Griffen – das war’s aber auch schon. So weit zur Google-Bassisten-Geschichte.
Die Blizzards wurden damals in Nürnberg immer größer und berühmter, »fränggische Beadles« sozusagen. Und irgendwann engagierte Kaufhof die Jungs für eine große Fete in den Humboldt-Sälen, für den sogenannten Record Hop (klingt auf Fränkisch noch viel schöner!). Und zu dieser Sause wurden immer auch leibhaftige Stars verpflichtet: Teddy Parker, der frühe Michael Holm noch vor der Abreise nach Mendocino – und irgendwann auch ein gewisser Gerd Höllerich, unter dem eleganten Namen Roy Black auf dem Weg zu erstem Ruhm. Wobei: Noch war der Ruhm ein ganzes Stück weit entfernt. 1965 hatte Gerd zwei Platten gemacht, die sich beide als Flop entpuppten. Um ehrlich zu sein: Keine Sau kannte ihn damals außerhalb seiner Heimatstadt Augsburg. Die Welt ignorierte hartnäckig »Roy Black and His Cannons« und seine beiden Singles mit den schönen Titeln »Sweet Baby mein« und »Darling my Love«. Die dritte Single, der Schmachtfetzen »Du bist nicht allein«, erstmals ohne die Cannons, lief dann allerdings prächtig und wurde Nummer vier in Deutschland. Aber so weit war es noch längst nicht, damals im frühen Sommer 1965 , als sich der siebzehnjährige Waldemar Hartmann und der fünf Jahre ältere Gerd Höllerich in Nürnberg erstmals über den Weg liefen.
Gerd studierte damals BWL in München und kam mit seinem alten Opel Olympia in Nürnberg angefahren. Auf dem Record Hop hat er mit meiner Schülerband, den Blizzards, drei, vier Stücke live gesungen. Die Band war super. Beatles, Everly Brothers, die hatten alles drauf. Und Gerd, man muss es sagen, sang hörbar besser als ich. Mehr als das: Er war ein brillanter Sänger. Und ich war bei den vier Blizzards so etwas wie Pete Best bei den Beatles – der fünfte Blizzard. Nicht richtig dabei, aber irgendwie doch und vor allem happy, das Zentrum des mittelfränkischen Rock ’n’ Roll hautnah mitzuerleben.
Ich habe mich mit Gerd ein bisserl angefreundet. Wir saßen bei mir zu Hause, und er war deprimiert, weil seine Karriere nicht lief. Irgendwann hockten wir auf dem Gehsteig, und er haderte: »Jetzt fahre ich nach Köln und mache noch eine Platte. Und wenn das nicht klappt, höre ich ganz auf.« Er hatte damals schon dieses melancholisch Umflorte, für das er später so berühmt war. Und Gerd fuhr tatsächlich nach Köln und hat »Du bist nicht allein« aufgenommen. Hammer! Mega! Nummer eins waren die Stones mit »Satisfaction«, da hinter die Byrds mit »Mr. Tambourine Man«, und kurz danach kam mein Kumpel Gerd Höllerich aus Augsburg mit seinem Opel Olympia und »Du bist nicht allein«. Unfassbar für uns alle in Nürnberg!
Und das mit einer Schnulze! Gerd war ein Rock ’n’ Roller, aber er war zugleich ein Romantiker. Und dieser Zwiespalt hat ihn immer wieder schier zerrissen. Ich habe seine Hoch-Zeiten erlebt, aber auch seine Downs. Sein ganzes Leben war eine Achterbahnfahrt bis hin zum späten
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