Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
und brüllt: »Da, iss das Ding!« Nach dem Motto: Druck, immer Druck beim Abnehmen – das muss nicht sein!
Der geborene Experte wäre ja Lothar Matthäus. Aber dabei gockelt und posiert und doziert er leider ohne Ende – genau wie früher als Fußballer, als seine Mitspieler von diesem pubertären Gehabe genervt waren. Und wenn du beim Zuschauen nicht an das Fußballspiel denkst, um das es gerade geht, sondern an die neueste abgemagerte Ukrainerin, mit der Lothar gerade in der Zeitung war, hat es halt auch keinen Sinn. Gerade ist er zweiundfünfzig geworden. Als jugendliche Trainerhoffnung, die auf seine erste große Chance wartet, geht er nicht mehr durch.
Das Hauptproblem, mit dem Lothar zu kämpfen hat, ist Fol gendes: Die meisten Leute haben sich längst ihr Urteil über den redseligen Franken gebildet. Und dieses Urteil kann er nicht mehr verändern, höchstwahrscheinlich bis zum Ende seines Lebens nicht. Entweder die Menschen sind glühende Anhänger des ehemals begnadeten Weltfußballers und wollen über seine jahrelangen privaten Kapriolen nichts wissen – oder sie gehören zu denen, die alleine bei der Nennung des Namens »Loddar« schmunzeln oder gar laut lachen. lch stehe so mittendrin. lch kenne ihn seit Mitte der Achtziger, als er von Mönchengladbach zum FC Bayern München wechselte.
Sein Herz hat er schon immer auf der Zunge getragen, für uns Journalisten also ein gefundenes Fressen. Schon früh erkannte Lothar die Wechselwirkungen des Mediengeschäfts. Steckte er den Schreiberlingen ein paar Dinge, die eigentlich nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten, belohnten sie ihn mit Lobeshymnen auf seine Spielkunst und befriedigten seinen Drang nach Darstellung auch neben dem Fußballplatz. Für ihn wohl eine Art der Aufarbeitung seiner Kindheit. Denn in der Schule nannten sie ihn den »Kleinen«. Da muss man kein ausgebildeter Seelenklempner sein, um schnell zu kapieren, was hinter seinem unermüdlichen Geltungsdrang steckt. Leider hat diese übertriebene Art der Selbstdarstellung auch dann nicht nachgelassen, als großartige sport liche Erfolge ohne zusätzlichen Trommelwirbel und ohne auffälli ges Balzverhalten ausgereicht hätten, um Lothar zu einem auch außerhalb des grünen Rasens gesellschaftlich anerkannten Star werden zu lassen.
Doch Geduld und diplomatische Taktik sind nicht Lothars Ding. Da sind wir uns nicht einmal unähnlich. lm Gegensatz zu ihm schaue ich mir aber die Leute genau an, von denen ich einen Rat annehme. Lothar Matthäus hat den überwiegenden Teil seines erheblich lädierten Rufs seinen unsäglichen Beratern zu verdanken.
Da veranstaltet der FC Bayern für ihn ein Abschiedsspiel im großen Rahmen. Diego Maradona reist an, und auf der After-Show-Party singt Zucchero. Deutschlands Fussballprominenz tritt zum Defilee an und huldigt ihrem Rekordnationalspieler. Ein rauschendes Fest. Auf dem Konto von Lothar landen Zeitungsberichten zufolge danach rund drei Millionen Euro, überwiesen von den Münchnern. Wenige Monate später allerdings lässt er sich von seinen damals für ihn tätigen »Beratern« überzeugen, den FC Bayern auf eine weitere Million zu verklagen. Es kommt zum öffentlichen Prozess. Der Richter spricht Matthäus die zusätzliche Zahlung von knapp 10000 Euro zu. Was für eine lächerliche Summe, für die Lothar ein für alle Mal das Verhältnis zu dem Verein ruiniert hat, der ihn groß gemacht hatte.
Uli Hoeneß reagierte damals mit dem legendären Satz: »Solange Kalle Rummenigge und ich hier etwas zu sagen haben, wird Lothar nicht mal mehr Greenkeeper beim FC Bayern.« Das ist Lothars Problem geblieben. Er hinterlässt zu oft verbrannte Erde. Und das gilt nicht nur für das Leben in seinem absoluten Kompetenzbereich, dem Fußball. Zu seinem Privatleben muss ich nichts hinzufügen – dazu finden Sie täglich genug Informationen in den Klatschspalten.
Lothar Matthäus, einer der besten und erfolgreichsten deut schen Fußballer aller Zeiten, ein einstiger Weltstar, ist leider eine Lachnummer geworden. Und das ist traurig.
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BLOSS, WEIL DU UNBEDINGT DEINE RÜBE AUS DER GLOTZE HALTEN WILLST
Olympische Spiele im Schnelldurchlauf
Meine ersten Olympischen Spiele als Reporter waren die Winterspiele 1988 in Calgary. Damals bin ich in letzter Minute auf den Zug aufgesprungen – ich war ja erst im Oktober 1987 von TV Weiß-Blau zum BR zurückgekommen. Was einigen Kollegen viel zu schnell ging. Doch BR -Fernsehsportchef Eberhard Stanjek hat das gedeichselt
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