Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Delling ist übrigens in Albertville fast vom Glauben abgefallen, weil ich dort eine aufstrebende Sportart verlassen habe, die ich seit 1986 kommentiert hatte – nämlich Biathlon. Weil ich die Olympiazusammenfassungen moderierte, war keine Zeit mehr für Biathlon, was mir sehr leidtat. Denn Biathlon war immer die mit Abstand lustigste Wintersportart mit den urigsten Typen. In Albertville hatte der bekannte Tölzer Wirt Wolfgang Hösl ein Biathlon-Stüberl aufgemacht, als gemütlichen Rückzugsort für entkräftete und durstige Biathleten.
Dort war ich mit Delling. Und Gerd hat erlebt, wie ein deutscher Biathlet die Geschichte erzählte, dass er in Albertville eine russische Olympiasiegerin (wir wollen sie Olga nennen) vor ihrem Sieg im Wachshäusl »bedient« hat. Und während er das erzählt, kommt diese durchaus attraktive Olga mit ihren russischen Kameraden ins Biathlon-Stüberl! Wodka für alle, Kollege Tschepikow ist betrunken ins Buffet geflogen. In diesem Stüberl hättest du alles vermuten können – nur nicht, dass das alles Hochleistungsportler bei den Olympischen Spielen waren. Wobei, ich habe ja schon immer gesagt: Wodka gutttt für Leistungsfähigkeit!
Delle war jedenfalls hellauf begeistert: »Geht das immer so zu beim Biathlon?« Meine Antwort: »Ja, mein Freund. Biathleten sind anders als andere Sportler.« Er konnte nicht glauben, dass ich mich von diesem herrlichen Sport verab schiedet habe, um die Nachrichten zu moderieren: »Bloß weil du unbedingt deine Rübe aus der Glotze halten willst …«
Im gleichen Sommer in Barcelona durfte ich dann auch wie der die Nachrichten vorlesen. Unschön war dort, dass die spar samen Schwaben vom Süddeutschen Rundfunk die Federführung hatten und damit auch für die Auswahl des Hotels zuständig waren. Die haben ewig lang gezockt vor den Spielen, weil sie geglaubt haben, dass sie immer noch ein billigeres Hotel bekommen. Ergebnis: Am Ende war gar kein Hotel mehr frei. Und der ARD -Sport musste tatsächlich auf einen Puff zurückgreifen, der während der Spiele stillgelegt worden war. Ein Laufhaus, um es vornehmer auszudrücken.
Der SDR überwies den Betreibern dieser amourösen Einrichtung Geld, damit sie es zu einer Art Hotel aufrüsteten. Das Geld versickerte aber in dubiosen Quellen, und nur die unteren bei den Stockwerke waren renoviert. Der Rest bestand aus den guten alten Puffzimmern. Nachdem wir vom BR nicht federführend und damit privilegiert waren, landete ich in einer dieser Liebeslauben. Es war grauenvoll. Nix Edelbordell mit Samt und Seide. Alles vom Billigsten, versiffte rote Vorhänge, außerdem der Geruch von fünfzig Jahren Parteienverkehr.
Wir waren entsetzt, und es gab nur eine Möglichkeit, uns wieder aufzuheitern: Wir wollten das Gesicht von Heribert Faßbender beim Betreten seiner Räumlichkeiten sehen. Denn Fassi war ebenfalls nicht privilegiert. Also haben wir dort eine Kamera reingestellt, die einfach nur Faßbender beim Beziehen seines Zimmers aufnehmen musste. Und das war großer Sport! Gute Nacht allerseits – so angeekelt haben wir Fassi vorher und nachher nie mehr erlebt.
Wenigstens hat der Barkeeper des Hauses vieles wiedergutgemacht. Wir nannten ihn den Vollstrecker – weil er immer bis zum Rand eingeschenkt hat. Bei ihm gab es keine 2 cl oder 4 cl. Er kannte nur eines: randvoll! Volle Kante! Whisky, Wodka, Rum Cola – egal, was du bestellt hast, es gab immer nur Schoppen. Vielleicht hatte er vom Haus den Auftrag, uns versöhnlich zu stimmen. Der Vollstrecker war ein guter Mann, muss man sagen.
Trotz der fragwürdigen Unterbringung war Barcelona eine der schönsten Olympiastädte, die ich kennenlernen durfte. Schöner, auf ganz andere Art, war nur noch Lillehammer 1994 , die Wasmeier-Spiele. Lillehammer war back to the roots, ein Wintermärchen mit großartigen Fans, ein Dorf mit einer weißen Zuckerlandschaft unter blauem Himmel. Schöner kannst du dir keine Kitschpostkarte vorstellen.
Moderiert haben Heribert Faßbender – und erstmals Wal demar Hartmann. Als mir BR -Sportchef Eberhard Stanjek diese Entscheidung verkündete, war ich einerseits begeistert – endlich in der ersten Reihe – und andererseits fassungslos: »Freut mich, Eberhard, aber was bittschön hat Fassi mit Wintersport zu tun?« Heribert Faßbender konnte, mit Verlaub, ein Biathlongewehr von einem Abfahrtsski unterscheiden, aber damit hatte er seine wintersportlichen Grenzen schon erreicht. War ihm ja auch nicht in die Wiege gelegt worden, als
Weitere Kostenlose Bücher