Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Leverkusener. Aber Fassi Winterolympia präsentieren zu lassen, wenn jeder einzelne bayerische Fernsehzuschauer mehr Fachkenntnis besitzt als der Moderator, war eine dieser politischen ARD -Entscheidungen, die ich mein Leben lang nicht kapieren werde. Und zwar eine Entscheidung auf dem Rücken des Gebührenzahlers, der sich diesen Krampf dann zwei Wochen lang anschauen musste, wollte er Olympia sehen.
Es war übrigens nicht anlässlich Winterolympia 1994 , als ein Mitarbeiter der ARD -Zuschauerredaktion auf eine Beschwerde über Fassi sinngemäß diese legendäre Antwort lieferte: »Ihre Kritik an Herrn Faßbender ist sicher berechtigt, jedoch gibt es während der WM kaum noch Chancen, ihn auszutauschen, weil er als WDR -Sportleiter ein Moderationsvorrecht genießt. Wir bedauern, Ihnen keine bessere Mitteilung machen zu können.« Der Mann wurde daraufhin meines Wissens gefeuert – nicht Fassi natürlich, sondern die studentische ARD -Hilfskraft.
In Lillehammer wäre so eine offenherzige und ehrliche Antwort ebenfalls angebracht gewesen. Ich weiß noch, Fassi und ich landeten gemeinsam mit dem Flieger in Oslo – und sind dann auch gemeinsam im Taxi nach Lillehammer gefahren. Keine Ahnung, ob es sich dabei um einen Zufall handelte oder ob die ARD an einer gewissen menschlichen Annäherung interessiert war. Fassi und ich, natürlich per Sie, sitzen also im Fond dieses Taxis. Die Fahrt von Oslo nach Lillehammer ist lang, und mit Heribert Faßbender auf dem Nebensitz wird sie nicht wirklich kürzer. Wir betreiben also mühsamen Smalltalk über Wintersport, ich stelle ihm ein paar Testfragen, und irgendwann merke ich: Der hat ja überhaupt keine Ahnung. Kein Wunder, dass Fassi auf der Fahrt nach Lillehammer immer ruhiger wurde. Offensichtlich hat er nachgedacht, was da auf ihn zukam. Und bei der Akkreditierung sagte er plötzlich zu mir: »Ich habe ja gehört, beim Wintersport feiert man miteinander, und da ist alles etwas lockerer. Ich bin Heribert!«
Ja, da schau her, das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass Sie der Heribert sind. Gestatten, Waldi!
Im Deutschen Haus hat er auch gefremdelt, während ich im Winter eben daheim war. Und die Schorschis und die Wasis und die Katis, die ich schon seit Jahren aus dem Blickpunkt Sport kannte, konnten auch nicht allzu viel mit ihm anfangen. Aber: Fassi war natürlich Profi, und er hat das schon einigermaßen hinbekommen mit dem Wintersportmoderieren.
Bloß bei einer Geschichte hätte es ihn beinahe voll erwischt: Der Amerikaner Tommy Moe wurde völlig überraschend Olympiasieger in der Abfahrt. Außerhalb der echten Alpinexperten kannte ihn kein Mensch. Natürlich waren alle hinter Moe her, um ihn nach seinem Sieg im Studio herzeigen zu können. Und mein BR -Kollege Werner Rabe kam irgendwann triumphierend ins Studio, einen Skifahrer an kündigend, den er bei den Kollegen von CBS aufgegabelt hatte: »Ich hab ihn!«
Heribert moderierte, ich stand mit zwei Kollegen vor dem Studio, als plötzlich ein Mensch mit einer Medaille, ein paar Skiern und einem Rucksack daherkam. Und alle ganz aufgeregt: »Er ist da! Der Olympiasieger ist da!« Bloß meine Kollegen Axel Müller und Lambert Dinzinger, zwei Skiexperten vor dem Herrn, spannten sofort: Das kann er nicht sein. Denn die Skimarke war die falsche. Der gute Mann ist schnell an uns vorbeigelaufen, aber in der Maske haben wir gemerkt: Das um den Hals da, das ist gar nicht die Goldmedaille, das ist nur Bronze. Der Mann war nicht einmal Amerikaner, sondern Kanadier. Und er hieß auch nicht Tommy Moe, sondern Ed Podivinsky. Rabe hatte uns den falschen Skifahrer ins Stu dio gebracht.
Wir saßen also in der Maske, und vor uns wurde gerade der Bronzemedaillengewinner abgepudert für seinen großen Auftritt in eineinhalb Minuten bei Heribert Faßbender – was deutlich weniger spannend war als ein Gespräch mit dem Goldmedaillengewinner. Aber was machst du da? Man kann ja schlecht zu ihm hingehen und sagen: »Sorry, Mister Podivinsky, aber Sie sind leider nur Dritter geworden. Das ist uns zu wenig für ein Interview.«
Und dann haben wir drei uns angeschaut, Lambert Dinzinger, Axel Müller und ich, und allen stand die gleiche Frage auf den Lippen: »Sagen wir’s Heribert, oder sagen wir es ihm nicht?« Ach, Fassi auflaufen lassen, das wäre großes Kino gewesen! Wir hatten alle drei große Lust darauf. Aber schlussendlich hat die Menschlichkeit gesiegt. Brave Soldaten dürfen nicht flüchten, und sie dürfen einander nicht ver
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