Driver 2

sie am Ende alles abstreiten konnten? Oder gingen ihnen langsam die Soldaten aus?
    Wohl kaum.
    Um 7.54 Uhr hielt ein dunkelbrauner Saturn vor dem Mail’N’More. Der Fahrer schaltete den Motor aus und blieb sitzen. Als das Schild im Ladeninneren auf GEÖFFNET gedreht wurde, stieg er aus und ging hinein, in der Hand einen gefütterten 25-x-30-Briefumschlag. Jüngerer Typ, Ende zwanzig, schwarz, dunkler Anzug, weißes Hemd, keine Krawatte. Er gab dem Mann am Schalter den Umschlag, nahm seine Brieftasche heraus, bezahlte. Als er herauskam, saß Driver hinter dem Lenkrad des Saturn.
    »Habe ich vergessen, abzuschließen?«
    »Phoenix rangiert ziemlich weit oben auf der Liste der Autodiebstähle.«
    »Würdest du jetzt bitte aussteigen?«
    »Warum leistest du mir nicht einfach Gesellschaft? So können wir uns ungestört und ganz privat unterhalten.«
    Driver sah den Blick des jungen Mannes über den Bürgersteig, die Straße und den Diner gleiten. Der Streifenwagen war vor ein paar Minuten weggefahren. Der Diner füllte sich mit Leuten auf dem Weg zur Arbeit. Driver griff unter das Armaturenbrett und drehte die Kabel zusammen, die er vorher herausgezogen hatte. Der Motor sprang an.
    »Wenn du noch länger wartest, fahre ich.«
    Der junge Mann ging zur Beifahrerseite, öffnete die Tür und blieb stehen, die Hände am Wagen. »Das ist ausgesprochen unklug«, sagte er.
    »Ich werde von Jahr zu Jahr dümmer.«
    Der Mann stieg ein, und Driver schaltete den Motor ab.
    »So dumm«, sagte Driver, »dass mir sogar das Geld egal ist, das du da drinnen gerade abgegeben hast.«
    Er sah Driver an, dann hinaus auf die Straße. »Ja, okay.«
    »Ich will wissen, von wem es kam.«
    »Warum?«
    »Wissen macht uns zu besseren Menschen, findest du nicht auch?«
    »Nein«, antwortete er. »Nein, das denke ich überhaupt nicht. Vier Jahre lang habe ich mit meinem Hintern am College die Stühle poliert, drei weitere im Jurastudium, und am Ende ist ein Laufbursche aus mir geworden. Da hast du dein Wissen.«
    »An irgendeinem Punkt trifft man seine Wahl.«
    »Wahlmöglichkeiten, ja, das ist das Einzige, worum es geht, oder? Freier Wille, das Gemeinwohl. Hab meine Aufzeichnungen aus dem Studium noch irgendwo rumliegen.«
    »Eine Entscheidung muss nicht für immer sein.«
    Der Junge wandte sich ihm zu. »Kommst du gerade aus einer Show mit Oprah, oder was?«
    Sie saßen da und beobachteten ein weißhaariges Männlein, das in einem Golfcart mit 20 km/h die Straße heruntergetuckert kam. An der Antenne flatterte eine winzige amerikanische Flagge, und über ein Dutzend Aufkleber bepflasterten die Seiten des Wägelchens.
    »Das Geld?« fragte Driver.
    »Du weißt, dass ich dir das nicht sagen kann.«
    »Wieder dieses Wissen.« Driver legte beide Hände gut sichtbar auf das Lenkrad. »Dann, befürchte ich, wirst du diesen Wagen nicht wieder verlassen.«
    »Denkst du, dass du das schaffst?«
    »Wo ich herkomme, lernt man das schnell. Und eine Minute später holt man sich ein Sandwich.«
    Das Männlein hielt am Mail’N’More, zog eine Plastiktüte aus seiner Gesäßtasche, schüttelte sie auf und ging hinein. Kurz darauf kam er mit nur sehr wenig Post in seiner Tüte wieder heraus.
    »Wahrscheinlich der Höhepunkt seines Tages.«
    »Perspektive ist alles«, sagte Driver.
    »Das ist es.«
    Sie beobachteten, wie das Golfcart weiter die Straße entlangfuhr und einen Stau hinter sich herzog.
    »Ich habe die Uni abgeschlossen, war unter den Besten meiner Jahrgangsklasse. All diese großen Kanzleien, die auf dem Campus nach Talenten suchten, schüttelten mir freundlich die Hand. Als eine Top-Firma mir einen Job anbot, habe ich zugegriffen. Da waren ungefähr drei Häuptlinge und zweihundert Indianer, jeder Einzelne von ihnen aus den obersten zehn Prozent, alle beängstigend clever. Wie sich herausstellte, hatte sich die Firma keinen weiteren Indianer gekauft, sondern nur ein Pferd.«
    Driver schwieg.
    »Die Koppel ist auf der Highland, nahe der 24. Avenue.
Genneman, Brewer and Sims
. Dieser spezielle Auftrag kam von Joseph Brewers Assistent, Tim. Gelbes Haar. Nicht blond, gelb. Und seine Klamotten sitzen immer eine Spur zu eng. Das ist alles, was ich weiß.« Das Golfcart bog vier Blocks weiter Richtung Osten ab. »Fürs Protokoll: Ich habe die Lieferung überbracht. Ich gehe, drücke im Büro auf Neustart und alles ist in Butter.«
    »Und niemand erfährt etwas von unserer Unterhaltung.«
    »Meine Rede.«
    »Wie ich sagte, es war ganz privat.«
    Driver