Driver
wusste er schon, vielleicht war’s ja so. Manch-mal konnte er sich über so was Gedanken machen.
Zuerst genehmigte Driver sich ein paar Drinks in der Bar. Dort war alles schamlos neu, rostfreier Stahl, poliertes Holz, wie um zu widerlegen, was jenseits der Schwingtür lag. Als er etwa die Hälfte seines ersten Biers getrunken hatte, fand er sich in einer politischen Diskussion mit dem neben ihm sitzenden Mann wieder.
Ohne von der aktuellen Tagespolitik etwas zu wissen, improvisierte Driver. Anscheinend stand das Land am Rande eines Krieges. Wiederholt tauchten Worte wie Freiheit, Befreiung und Demokratie im Gefasel seines Gesprächspartners auf, was Driver irgendwie an Reklame für Thanksgiving-Truthähne erinnerte. Wie einfach es doch geworden war: Schieb sie einfach in den Ofen, und dann erscheinen diese kleinen Fähnchen, um dich wissen zu lassen, dass der Vogel fertig ist.
Außerdem erinnerte der Kerl Driver an einen Mann aus seiner Kindheit.
Jeden Tag fuhr Sam mit seinem Maultierkarren durchs Viertel und rief: »Sachen zu verkaufen! Sachen zu verkaufen!« Sein Karren war vollgepackt mit Plunder, den kein Mensch brauchte, Kram, den niemand haben wollte. Stühle mit drei Beinen, abgetragene Kleidungsstücke, Lavalampen, Fonduesets und Fischgläser, alte National-Geographic-Hefte. Tag für Tag, Jahr für Jahr. Warum und wieso, das wusste kein Mensch.
»Darf ich mal unterbrechen?«
Driver schaute nach links.
»Einen doppelten Wodka, pur«, sagte Standard zum Barkeeper. Er ging mit seinem Drink zu einem Tisch weiter hinten, bedeutete Driver, ihm zu folgen.
»Hab dich in letzter Zeit kaum gesehen.«
Driver zuckte die Achseln. »Viel Arbeit.«
»Gibt’s ’ne Chance, dass du morgen frei bist?«
»Könnte schon sein.«
»Ich hab da was laufen. Einer dieser Läden, die Schecks einlösen. Total abgelegen – von allem. Weit und breit überhaupt nichts. Morgen früh, bevor sie aufmachen, wird das Bargeld für die ganze Woche – und fürs Wochenende – angeliefert.«
»Und woher weißt du das?«
»Sagen wir einfach mal, von jemandem, den ich kennen gelernt habe. Jemand, der einsam ist. So wie’s aussieht, sind wir in höchstens fünf, sechs Minuten wieder draußen. Eine halbe Stunde später sitzt du beim Mittagessen vor einem fetten Prime-Rib-Steak.«
»Okay«, sagte Driver.
»Hast du ein Fahrzeug?«
»Werde eins haben. Die Nacht ist noch jung.« Einerseits mochte er es nicht, so wenig Vorlauf zu haben. Andererseits hatte er schon ein Auge auf einen Buick LeSabre im benachbarten Wohnblock geworfen. Sah nicht besonders aus, aber der Motor schnurrte wie ein Kätzchen.
»Also abgemacht.« Sie vereinbarten eine Uhrzeit und einen Treffpunkt. »Kann ich dich zum Essen einladen?«
»Meinetwegen.«
Beide nahmen Steaks unter einem Berg Zwiebeln, Chilis und Tomaten, dazu schwarze Bohnen, Paprikareis, Weizentortillas. Ein oder zwei Bier zum Essen, anschließend zurück an die Bar. Der Fernseher lief, aber erfreulicherweise ohne Ton. Irgendeine hirnlose Comedy-Sendung, in der Schauspieler mit strahlend weißen Zähnen ihren Text sprachen und erstarrten, wenn das Lachen vom Band kam.
Driver und Standard saßen ruhig zusammen, zwei stolze Männer, die ihre Meinung in der Regel für sich behielten. Für belanglosen Small Talk bestand bei ihnen weder Grund noch Notwendigkeit.
»Rina hält große Stücke auf dich«, sagte Standard, nachdem er eine letzte Runde bestellt hatte. »Und Benicio liebt dich. Das weißt du, oder?«
»Beides beruht auf Gegenseitigkeit.«
»Wenn irgendein anderer Mann meiner Frau so nahe käme, hätte ich ihm schon längst die Kehle durchgeschnitten.«
»Sie ist nicht deine Frau.«
Die Drinks kamen. Standard bezahlte, gab ein fettes Trinkgeld. Überall Verbindungen, dachte Driver. Er identifiziert sich mit dem Bedienungspersonal, kennt sich aus in ihrer Welt.
»Rina hat immer behauptet, ich erwarte zu wenig vom Leben«, sagte Standard.
»Dann wirst du wenigstens auch nie enttäuscht.«
»So ist es.«
Er stieß mit Driver an, trank, zog wegen der hohen Dosis Alkohol die Lippen zurück.
»Aber sie hat recht. Wie kann ich mehr erwarten als das, was ich vor mir sehe? Wie kann das überhaupt jemand?« Er trank aus. »Schätze, wir sollten jetzt los. Unseren Schönheitsschlaf halten. Wird ein anstrengender Tag morgen.«
Draußen blickte Standard zum Vollmond auf, dann zu einigen Pärchen hinüber, die an der Ecke neben ihren Autos standen, vier oder fünf Kids im Gangsta-Outfit – tief
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