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Driver

Driver

Titel: Driver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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Schriftsteller werden. Gab nicht den geringsten Zweifel daran. Hatte einen ganzen Arsch voll Kurzgeschichten in literarischen Zeitschriften veröffentlicht. Dann erschien mein erster Roman und rutschte einfach über den Rand der Welt. Der zweite hatte nicht mal mehr genug Kraft, um zu schreien, als er seinen Abgang machte. Was ist mit dir?«
    »Meistens hab ich einfach versucht, die Zeit von Montag bis Mittwoch zu überstehen. Aus meinem Bett zu kommen, aus dem Zimmer, aus der Stadt.«
    »Viel unterwegs, was?«
    »Das ist das normale Leben.«
    »Ich hasse das normale Leben.«
    »Du hasst alles.«
    »Sir, ich protestiere aufs Schärfste. Das ist eine üble Verdrehung der Tatsachen. Es mag ja stimmen, dass ich eine große Abscheu hege gegenüber dem politischen System, dem New Yorker Verlagswesen, dem letzten halben Dutzend Präsidenten, jedem einzelnen der in den letzten zehn Jahren gedrehten Filme – ausgenommen die der Coen-Brüder –, außerdem gegen Tageszeitungen, gegen Radiosendungen, in denen der Moderator die Hörer bequatscht, den Sender anzurufen, amerikanische Autos, die Musikindustrie, die neuen Medien, alle gerade angesagten Trends …«
    »Ganz schön lange Liste.«
    »… aber daneben besitze ich für viele Dinge im Leben eine geradezu an Verehrung grenzende Wertschätzung. Diese Flasche Wein hier zum Beispiel. Das Wetter in L. A. Oder das Essen, das gleich kommt.« Er füllte ihre Gläser nach. »Und du hast immer noch genug zu tun?«
    »Meistens.«
    »Gut. Dann ist das Filmgeschäft ja nicht völlig überflüssig. Im Gegensatz zu den meisten Eltern sorgt es wenigstens für seine Kinder.«
    »Für manche.«
    Erwartungsgemäß war das Essen nachher alles, woran Driver sich erinnerte. Sie machten in einer nahe gelegenen Bar weiter, Bier für Driver, Brandy für Manny. Ein alter Mann, der nur ein paar Brocken Englisch sprach, kam mit seinem ramponierten Akkordeon herein, setzte sich und spielte Tangos und Lieder seiner Jugend, Lieder über Liebe und Krieg. Die Gäste gaben ihm Drinks aus und ließen Scheine in seinen Instrumentenkoffer fallen, während ihm Tränen über die Wangen liefen.
    Gegen neun sprach Manny nur noch undeutlich.
    »So viel zu meinem großen Abend in der Stadt. Früher konnte ich die ganze Nacht durchmachen.«
    »Ich kann dich nach Hause fahren.«
    »Natürlich kannst du.«
    »Nur noch eine Sache«, sagte Manny, als sie vor seinem Bungalow hielten. »Nächste Woche muss ich nach New York. Und ich hasse es zu fliegen.«
    »Fliegen? Du kannst ja kaum kriechen.«
    Nun spürte Driver die Drinks ebenfalls.
    »Wie auch immer«, fuhr Manny fort, »ich hab mich gefragt, ob du vielleicht in Erwägung ziehen könntest, mich zu fahren. Ich bezahle erstklassig.«
    »Wüsste wirklich nicht, wie ich das hinkriegen sollte. Ich bin für ein paar Stunts gebucht. Aber selbst wenn ich könnte, würde ich dein Geld niemals annehmen.«
    Nachdem er sich aus dem Wagen gekämpft hatte, beugte Manny sich zur Seitenscheibe herunter. »Behalt’s einfach mal im Hinterkopf, okay?«
    »Klar, mach ich. Warum nicht? Geh ’ne Runde schlafen, mein Freund.«
    Nach zehn Blocks tauchte in seinem Rückspiegel ein Streifenwagen auf. Sorgfältig darauf achtend, die Geschwindigkeitsbegrenzung einzuhalten und frühzeitig zu blinken, bog Driver bei einem Denny’s ab und parkte den Wagen mit der Schnauze zur Straße.
    Der Cop fuhr vorbei. Er war allein auf Streife. Die Seitenscheibe heruntergekurbelt, einen Kaffeebecher von 7-Eleven in der Hand, Knistern und Knacken aus dem Funk.
    Kaffee klang gut.
    Wo er schon mal hier war.

14
    Von drinnen hörte er das weinerliche Klagen eines tödlich verwundeten Saxofons. Doc hatte Vorstellungen von Musik, die sich von denen der meisten Menschen erheblich unterschieden.
    »Lange her«, sagte Driver, als die Tür aufging und dahinter eine Nase wie ein aufgedunsener Champignon und weich pochierte Augen auftauchten.
    »Kommt mir vor, als wär’s erst gestern gewesen«, antwortete Doc. »Wie alles andere auch. Wenn ich mich überhaupt noch an irgendwas erinnere.«
    Dann stand er einfach da. Das Saxofon hinter ihm jammerte weiter. Doc warf einen Blick zurück über seine Schulter, und einen Moment lang dachte Driver, er würde gleich nach hinten brüllen, es sollte die Schnauze halten.
    »So spielt heute keiner mehr«, sagte Doc seufzend.
    Er schaute nach unten.
    »Du tropfst meine Fußmatte voll.«
    »Du hast doch gar keine Fußmatte.«
    »Nein – aber ich hatte immer eine. Eine

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