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Driver

Driver

Titel: Driver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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Pupillen des Jungen. Okay. Jetzt ergab das Sinn.
    »Ich baue immer vor. Wenn irgendwas passiert, weiß ich, wohin ich gehen muss, richtig?«
    Der Junge wusste einen Scheißdreck. Das war heutzutage bei allen so. Hielten sich für Outlaws, jeder einzelne von denen. Immer voll gegen die Gesellschaft, und dann zu Tode betrübt, wenn mal was nicht nach ihrer Nase lief.
    Doc ließ eine weitere halbe Stunde Eric Guzman über sich ergehen, bevor er sich entschuldigte und seinen eigenen traurigen Arsch vom Barhocker und nach Hause beförderte. Lange genug, dass Guzman ihm von seinem dicken Ding erzählen konnte. Sie wollten einen Elektronikladen an der Central überfallen, weit draußen am Rand der Stadt, wo die Straßen ins Nichts liefen und es fast nur noch Lagerhäuser und dergleichen gab. Der Laden machte am Wochenende einen großen Räumungsverkauf, und Guz-man vermutete, dass dort am Sonntag ein fetter Haufen Geld herumliegen würde. Die Sicherheitstypen sprachen von hundertzehn. Der Junge hatte seine Crew zusammen, was ihnen noch fehlte, war ein Fahrer.
    Miss Dickinson wartete bereits auf Doc und beschwerte sich, als er die Einfahrt heraufkam. Als er vor ungefähr einem Jahr seine Tür eines späten Nachmittags offen stehen gelassen hatte, war sie hereinstolziert, und seitdem gab er ihr zu fressen. Der Mischlingskatze fehlten das halbe linke Ohr und zwei Zehen der linken Vorderpfote.
    »Die wievielte Mahlzeit ist das denn heute, Miss D.?« fragte er. Ihre Besuche erfolgten in beunruhigender Regelmäßigkeit; er argwöhnte, dass sie in der ganzen Nachbarschaft von Haus zu Haus zog. Er öffnete eine Dose Thunfisch und stellte sie in eine Ecke, wo sie fressen konnte, ohne die Dose quer durchs Zimmer zu schieben. Wenn sie leer war, würde sie das natürlich dennoch tun.
    Er hatte nach letzter Nacht noch nicht aufgeräumt. Blutdurchtränkte Stoffstreifen, zehn mal zehn Zentimeter groß, Schalen mit Wasserstoffperoxid und Betadine. Bleiche, Nähnadeln aus rostfreiem Stahl, Flaschen mit Alkohol.
    Gut, wieder nützlich zu sein.
    Bevor er mit Aufräumen fertig war, hatte Miss Dickinson den Thunfisch verschlungen und kam herüber, um zu sehen, was er da machte. Sie war skeptisch gegenüber der Bleiche und dem Reinigungsmittel, machte einen weiten Bogen um Peroxyd und Betadine, zeigte aber großes Interesse an dem blutgetränkten Stoff, der Baumwolle und dem Verbandsmull. Sie versuchte ständig, es mit den Pfoten aus den Schalen und Plastikbehältern zu fischen, in die er es geworfen hatte.
    Sein neuer Patient kam am Freitag zur Nachuntersuchung. Doc machte sich Sorgen wegen einer möglichen Infektion. Jetzt fragte er sich jedoch, ob eine Infektion wohl die geringere Gefahr war. Er sollte seinen Patienten vor Eric Guzman warnen.

18
    Lange Zeit nach Standards Tod nahm er keine weiteren Jobs mehr an. Nicht, dass er nicht angesprochen worden wäre. Ein Name spricht sich schnell herum. Er sah viel fern mit Benicio, kochte gewaltige Mahlzeiten für und mit Irina. »Hab ich aus reiner Notwehr gelernt«, hatte er geantwortet, als sie ihn fragte, wie er zum Kochen gekommen sei. Und dann, als er frischen Parmesan rieb, die italienische Wurst zum Wärmen ausgebreitet auf dem Schneidbrett, erzählte er ihr von seiner Mutter. Sie stießen an. Ein guter, preiswerter Sauvignon Blanc.
    An einem oder zwei Tagen pro Woche fuhr er ins Studio, lieferte ab, was sie haben wollten, und war zurück, bevor Benicio aus der Schule nach Hause kam. Die Schecks, die Jimmie ihm jeden Monat schickte, wurden immer höher. Er konnte für immer und ewig so weitermachen. Nothing gold can stay – er erinnerte sich an diese Zeile eines Gedichts, das er auf der Highschool gelesen hatte. Alles Gute hat einmal ein Ende …
    Nicht, dass man es in L.A. problemlos sagen konnte, ohne einen Kalender zu Hilfe zu nehmen – aber es war Herbst geworden. Die Nächte waren kühl und windig. Jeden Abend stemmte sich das Licht heldenhaft gegen den Horizont und war dann fort.
    Wieder zu Hause von ihrem neuen Job in der Unfallambulanz des örtlichen Krankenhauses füllte Irina ihre Weingläser nach.
    »Trinken wir auf …«
    Er erinnerte sich, wie das Glas fiel, wie es beim Aufprall auf den Boden zerbarst.
    Er erinnerte sich an das Blut auf ihrer Stirn und daran, wie es im Schneckentempo ihre Wange hinunterzog, während sie noch versuchte auszuspucken, was sie in dem Augenblick im Mund hatte, bevor sie zusammenbrach.
    Er erinnerte sich, sie aufgefangen zu haben, als sie fiel –

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