Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Driver

Driver

Titel: Driver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
Vom Netzwerk:
und dann sehr lange an nichts mehr.
    Gang-Geschichten, würde ihm die Polizei später sagen. Irgendwelche Revierstreitigkeiten.
    Irina starb kurz nach vier Uhr morgens.
     
    Da Driver keinerlei Rechtsansprüche besaß, wurde Benicio zu seinen Großeltern nach Mexico City gebracht. Über ein Jahr schrieb er dem Jungen jede Woche einen Brief, und Benicio schickte ihm Zeichnungen zurück. Er heftete sie an den Kühlschrank jedes Apartments, das er bezog, sofern es einen Kühlschrank gab. Eine Zeit lang blieb er immer auf Trab, wechselte alle ein oder zwei Monate die Bude, von Hollywood über Echo Park nach Silverlake, immer in dem Glauben, das könnte vielleicht helfen. Die Zeit verging, denn genau das macht die Zeit ja, das ist ihr Wesen. Und dann fiel ihm eines Tages auf, wie lange es schon her war, seit er das letzte Mal von dem Jungen gehört hatte. Er versuchte ihn anzurufen, aber die Nummer gab es nicht mehr.
    Da er es hasste, allein zu sein, und ebenso die leeren Wohnungen und die leeren Stunden des Tages, beschäftigte Driver sich. Nahm alles mit, was ihm über den Weg lief, und suchte ständig nach mehr. Er bekam sogar eine Sprechrolle in einem Film, als eine halbe Stunde nach Drehbeginn ein Nebendarsteller krank wurde.
    Der Regisseur wies ihn ein.
    »Du hältst an, und dieser Typ steht da. Du schüttelst den Kopf, als täte er dir so richtig leid, dieser erbärmliche Dreckskerl, dann steigst du aus, lehnst dich mit dem Rücken an deinen Wagen. ›Deine Entscheidung‹, sagst du zu ihm. Alles klar?«
    Driver nickte.
    »Das hat verdammt noch mal nur so getrieft vor Boshaftigkeit«, schwärmte der Regisseur später, als sie Mittagspause hatten. »Zwei Worte – nur zwei beschissene Worte! Es war sagenhaft. Du solltest ernsthaft drüber nachdenken, mehr zu machen.«
    Was er dann auch tat, allerdings nicht das, was der Regisseur meinte.
    Standard war oft in einer Bar namens Buffalo Diner gewesen, in Downtown L.A. Nähe Broadway. Speisen waren dort schon seit Nixon nicht mehr serviert worden, aber der Name hatte irgendwie überlebt, genau wie die Kreidespuren der letzten Speisekarte auf einer Tafel über der Theke. Also verbrachte Driver seine Nachmittage dort. Begann Unterhaltungen, spendierte ein paar Drinks, erwähnte, dass er ein Freund von Standard sei, fragte, ob man jemanden kannte, der einen erstklassigen Fahrer suchte. In der zweiten Woche war er bereits Stammgast, kannte die anderen mit Namen und hatte mehr Arbeit, als er bewältigen konnte.
    Als er anfing, Filmjobs abzulehnen, wurden die Angebote sofort weniger.
    »Was soll ich den Leuten denn erzählen?« fragte Jimmie zuerst.
    Nach einigen Wochen wechselte er zu: »Sie wollen den Besten. Das sagen sie mir immer wieder.« Sogar dieser italienische Typ mit den vielen Falten auf der Stirn und den Warzen habe angerufen, sagte er. »Persönlich, nicht über irgendeine Sekretärin oder Assistentin. Persönlich, verdammt noch mal.«
    »Hör zu«, begann Jimmies vorletzte Nachricht. Inzwischen ging Driver schon längst nicht mehr ans Telefon. »Ich muss davon ausgehen, dass du noch lebst, aber so langsam ist mir das scheißegal, wenn du weißt, was ich meine. Was ich den Leuten sage, ist Folgendes: Ich sage ihnen, dass ich mir ein zweites Arschloch zugelegt habe.«
    Seine letzte Nachricht lautete: »Hat Spaß gemacht Junge, aber ich hab gerade deine Nummer verloren.«

19
    Aus einer Telefonzelle rief Driver die Nummer auf den Coupons an. Es klingelte und klingelte – immerhin, es war noch früh. Wer immer dann schließlich abhob, er bestand unnachgiebig darauf – so unnachgiebig jemand in gebrochenem Englisch sein konnte –, dass Nino’s nicht geöffnet habe. Er solle bitte nach elf noch mal anrufen.
    »Könnte ich machen«, sagte Driver, »aber es ist durchaus möglich, dass dein Chef überhaupt nicht glücklich sein wird, wenn er erfährt, dass er wegen dir warten musste.«
    Das waren anscheinend zu viele Worte auf einmal.
    »Es sollte außerdem möglich sein, dass du mich zu jemandem durchstellst, der einen Tick besser Englisch spricht.«
    Draußen auf der Straße ging ein Obdachloser vorbei und schob einen vollgepackten Einkaufswagen vor sich her. Wieder dachte Driver an Sammy und seinen Maultierkarren voller Kram, den kein Mensch haben wollte.
    Eine neue Stimme am anderen Ende der Leitung. »Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?«
    »Das will ich doch hoffen. Wie’s aussieht, hab ich etwas, das nicht mir gehört.«
    »Und was könnte das sein

Weitere Kostenlose Bücher