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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Arsch abfrieren würden . Star konnte die Prioritäten gut nachvollziehen, aber sie waren ihr egal. Sie hatte die Koppel trotzdem gebaut, ganz allein, mit einem Beil und einer alten Wäscheleine, und das Zelt, das sie mit Marco teilte, stand direkt daneben, so daß sie ihre Schützlinge auch im grauen Nebel der Nacht bewachen konnte.
    Die beiden Hunde kläfften jetzt, außer Atem bellten sie ihre Wut und ihren Ehrgeiz hervor, so daß es über den Fluß hallte und als Echo wieder zurückkehrte, und einer von ihnen – es war Frodo – versuchte in die Koppel zu klettern. Sie ließ den Hammer zu Boden fallen und rannte los.
    Alles brüllte durcheinander und drängte sich gegen den Zaun wie bei einem Rodeo, Frodos Hinterteil blieb einen Moment lang auf dem obersten Stamm hängen, als wäre er Teil eines Denkmals, dann verschwand er, während schon Freak an den Querstangen scharrte und zurückfiel. Was überhaupt los war, sah sie nicht, die Ziegen blökten – sie schrien in einem nie gehörten, nicht vorstellbaren Tonfall –, und jetzt war eine rasende Bewegung durch die Zaunspalten zu erkennen, mal hier, mal dort, so fegte etwas von einem Ende der Koppel zum anderen. Und als sie dann endlich ankam, wo das absolute Tohuwabohu herrschte, Jiminy gerade zu Pans Zelt rannte, um ein Gewehr zu holen, und Marco und Alfredo mit Knüppeln bewaffnet rittlings auf dem Zaun saßen, da kapierte sie immer noch nicht, was sie mit eigenen Augen sah, so als gäbe es da eine Art Schranke zwischen ihren Augen und jenem Teil des Gehirns, der die visuellen Eindrücke verarbeitete. »Ein Bär!« rief irgend jemand.
    Das Weiß der Ziegen, das Hellbraun des Hundes, das wilde, ungebändigte Dunkelbraun dieses Viehs, das nicht in die Koppel gehörte, das einfach nicht paßte , das bestimmt kein Bär war, sondern irgend etwas völlig anderes: Klauen, Zähne und Fell in einem ungezügelten Furor von vehementer Raserei, dazu ein scharfes, gellendes Knurren, das keinen Moment nachließ, und bis Marco und Alfredo mit ihren Knüppeln hineinstampften, waren die Ziegen längst tot und zerfleischt, Frodo lag mit herausgerissener Kehle im Dreck, und dieses Tier, diese Erscheinung aus dem tiefsten Loch des schwärzesten Teils der hintersten und wildesten Berge, die ringsherum aufragten wie die Brustwehre einer Festung, starrte sie alle nieder und war dann mit einem einzigen Satz verschwunden, ein düsteres Gerücht jenseits der nun totenstillen Koppel. Und später, auch als sie schon wußte, was es gewesen war – Gulo luscus , der nordamerikanische Vielfraß oder Bärenmarder, ein großes aufgeblasenes Wiesel und derart blutrünstig, daß es schon manchen Grizzly von seiner Jagdbeute verscheucht hatte –, begriff sie noch immer nicht. Dafür stand fest, daß Ronnie alle Schußwaffen mitgenommen hatte – beide Gewehre und die Pistole – und daß es keine Ziegen zum Hüten mehr gab, und damit keine Milch, keinen Joghurt, keinen Käse. Eine größere Gruppe, angeführt vom irren George, Mendocino Bill und Norm persönlich, hatte die Ziegen zerlegen und ihr Fleisch verwenden wollen – die Sache sei bedauerlich, klar doch, echt ein finsterer Trip, aber wieso sollte das Fleisch denn verderben, so dachten sie –, doch sie war auf sie losgegangen wie dieser Vielfraß höchstpersönlich, sie tobte und raste, und sie fragte: »Warum zieht ihr dann nicht auch Frodo die Haut ab? Wieso eßt ihr den nicht?«
    Sie hob die Gräber selbst aus. Marco stand ein Stück weit entfernt, mit ernster Miene und hilflos baumelnden Armen, aber sie wollte sich nicht helfen lassen. Der Boden war der reinste Fels. Die Moskitos saugten sie leer. Sie schwitzte, daß ihr die Augen brannten und die Haare wie Tentakel an der Kehle klebten, zerrte an den Kadavern der beiden Ziegen – von Amanda und Dewlap, denn ja, inzwischen konnte sie sie auseinanderhalten, auch jetzt, als es zu spät dafür und eigentlich egal war und die Augen der Tiere sich für immer geschlossen hatten –, zerrte sie quer über den Platz und begrub sie.
    Am Morgen, als sie wieder hinging, um ein paar Blumen auf die frische Erde zu legen, um Kräfte zu sammeln, vielleicht ein paar tröstliche Gedanken zu denken und sich einzureden, es sei schon in Ordnung so, Teil des umfassenden Plans, des göttlichen Fließens, da war nichts mehr dort als zwei leere Gräber und die langen Streifen, wie sie Klauen auf weichem Erdboden hinterlassen.
    Ronnie und Verbie kamen nicht wie geplant am Donnerstag abend zurück, und auch

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