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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sehen, »was liegt an, Mann?« und streckte schlangenartig die Hand für den Soul-Bruder-Gruß aus, der aber nicht beantwortet wurde.
    Und Sky Dog? Eins achtzig oder größer, rund siebenundsiebzig Kilo, von der Sonne goldgebräunt, blaue Adern auf den Bizepsmuskeln, die Augen heller als das Gesicht. Er trug einen Fu-Manchu-Schnurrbart, der gut acht Zentimeter über die Kieferknochen hinabhing. Meist hatte er Jeans und eine bestickte Jeansjacke an, deren Ärmel an der Schulternaht abgetrennt waren, der schlichte Landhippie in schlichter Hippiemode, heute aber war er ein scharfer Typ in einem buntgemusterten Hemd, einem silbernen Halstuch, das von einem kleinen Goldreif an seiner Kehle zusammengehalten wurde, und Schlaghosen, die seine Füße geradezu verschlangen. »Ich will dir nämlich sagen, daß ich total sauer bin«, sagte er, dabei nahm sein Gesicht die Farbe von roher Leber an, kurz bevor sie in der Pfanne landet, »denn falls du denkst, du kannst mich hier einfach rauswählen lassen oder so was, dann bist du bescheuert. Und mir diesen Wichser hier« – eine Geste zu Marco – »rüberzuschicken, weil du selber nicht die Traute hast ...«
    »Komm schon, Bruce, komm schon, du weißt doch, daß ich nichts gegen dich unternehmen würde, ausgerechnet ich« – hier breitete Alfredo entsagungsvoll die Arme aus –, »aber dir muß doch klar sein, daß wir nicht riskieren können, uns hier die Bullen reinzuholen, und ob du nun was mit diesem Mädchen zu tun hattest oder nicht, sie könnte trotzdem direkt zum Sheriff von Sonoma County gehen und erzählen, was sie will, und wir wissen nicht mal, wer sie ist oder wo sie jetzt ist ...«
    »Ach, fick dich doch ins Knie, Mann, hör dich mal reden – du bist doch nichts als ein fieser Heuchler. Ich meine, hör dir doch mal zu: ob du was mit diesem Mädchen zu tun hattest . Ja, hatte ich. Und Lester und Dewey und noch ein paar andere auch – einschließlich diesem kleinen Sack, Pan oder wie der heißt. Sie wollte es ja so – ach was, gebettelt hat sie drum: Laßt uns was kiffen und dann vögeln und dann noch was kiffen und noch ein bißchen vögeln, und habt ihr Typen nicht noch ein bißchen Gras da? Ich entschuldige mich hier bei niemand. Du wirst keinen Freak hier auf der Ranch finden, der nicht das gleiche wie ich getan hätte, stimmt’s, Leute?«
    Lester pflichtete ihm bei. Dewey sagte nichts, aber sein Blick lag auf der Lauer.
    Sky Dog – oder Bruce, so hieß er, Bruce , und das zu wissen war die Geheimparole, die ihn zurückstutzen konnte – schraubte seine Stimme in die oberen Register des Beschwerdetons hinauf: »Ich bin jetzt wie lange hier, acht, neun Monate? Und da schickst du mir diesen Wichser« – wieder ein stechender Zeigefinger auf Marco unten in seinem Loch –, »der gerade mal vor einer knappen Woche aufgekreuzt ist, um mir auszurichten, ich soll verschwinden? Nein, ich sag dir was, ich geh nirgendwohin, nicht mal, wenn Norm selber an meiner Tür klopft, und weißt du auch, warum, ich sag dir, warum ...«
    An dieser Stelle hörte Marco mit dem Zuhören auf. Er dachte an einen Hund, den sein Onkel einmal gehabt hatte, mit einem braunen und einem blauen Auge, der wohl wildeste Kanide, der je gezähmt worden war, jedenfalls wie kein anderer Hund, den Marco je gesehen hatte. Er wollte nicht jagen oder Bällchen fangen oder Tricks lernen oder im Auto mitfahren, er winselte nicht oder leckte einem die Hand, er bettelte nicht am Tisch, und wenn er sich in Gesellschaft anderer Hunde fand, im Park oder auf dem abgetretenen Rasen hinter der Schule, dann reagierte er fast gar nicht auf sie, hob kaum je das Bein oder nahm wenigstens der Form halber mal die Witterung auf. Doch kam ihm ein anderer Hund zu nahe, vielleicht noch mit einem rasselnden Knurren oder vorgeschobenen Schultern, dann explodierte das Vieh – ohne Vorwarnung, so jäh und absolut, daß man gar nicht sicher sein konnte, es wirklich gesehen zu haben. Der andere Hund, egal, wie groß, endete unweigerlich auf dem Rücken, und der Husky seines Onkels – Lobo , so hatte er geheißen – schlug ihm die Fangzähne in die Kehle.
    Zweimal innerhalb von sechzig Sekunden hatte man Marco mitten ins Gesicht einen Wichser genannt, und das war zweimal zuviel. Ehe noch Bruce den Rest seines Anliegens ventilieren konnte, in seiner hohen, nasalen, quengligen Stimme, die in Ton und Farbe vollkommen zum Blues paßte – und kein Zweifel, der Junge konnte singen –, packte Marco seinen linken Fuß und zog

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