Drowning - Tödliches Element (German Edition)
Wanne«, sagt Mum.
Ich rühre mich nicht.
»Du willst doch nicht etwa, dass ich dich rauftrage und bade.« Die Drohung dringt durch die Benommenheit durch.
»Nein, nein, alles in Ordnung. Ich geh ja.«
Auf dem Flur quetsche ich mich an Debbie vorbei. Sie sieht mir nicht in die Augen. Ich glaube, es macht ihr Angst, einem Irren so nah zu sein. Oder vielleicht ist es auch nur, weil ich kein Shirt anhabe. Egal, jedenfalls kann sie gar nicht schnell genug an mir vorbei und die Treppe runtergehen.
Ich schließe die Badezimmertür und riegle sie ab. Wasser donnert in die Wanne und lässt eine Dampfwolke aufsteigen. Der Hahn im Waschbecken tropft. Vor einer Ewigkeit, als ich gerade aus dem Krankenhaus zurückkam, war das das Erste, was mich so richtig wahnsinnig gemacht hat. Jetzt strecke ich die Hand aus, drehe den Hahn im Uhrzeigersinn. Und das Tropfen hört auf.
Das Badewasser reicht fast bis zum Rand. Ich ziehe die nassen Socken, die nasse Jeans und die nasse Unterhose aus und stelle beide Wasserhähne ab. Gerade will ich hineinsteigen, als plötzlich ein Bild in meinem Kopf aufblitzt, ein Bild von Rob, von seinem bleichen Körper, wie er auf dem Grund der Badewanne liegt. Es ist nicht der Rob, der mich verfolgt hat. Es ist der, den ich gerade unter dem sauberen weißen Laken auf der Bahre liegen gesehen habe. Seine Augen sind geschlossen. Sein Gesicht ist sauber.
Das ist er nicht, sage ich mir. Das ist er nicht.
Und er ist es auch nicht. Mein Hirn verarbeitet alles, versucht damit fertig zu werden. Ich frage mich, ob es je eine Zeit geben wird, in der Wasser für mich wieder einfach nur Wasser ist. Ich frage mich, ob ich je vergessen werde, wie er aussah.
Ich schaue wieder in die Wanne. Es ist niemand da. Es ist nur eine Wanne voll sauberem, dampfendem Wasser. Ich steige hinein und tauche unter. Jeder Zentimeter meiner unterkühlten Haut scheint zu zischen, sobald er in die Hitze eintaucht. Einen Moment lang glaube ich, dass ich die Temperatur unterschätzt habe und ich mich verbrühe, doch als sich mein Körper anpasst, entspanne ich mich ein wenig. Das Wasser ist heiß, aber nicht zu heiß. Es ist genau richtig. Geradezu wunderbar.
Ich liege mit gebeugten Knien da, den Kopf gegen das eine Wannenende gestützt, und atme die dampfende Luft ein. Es ist das erste Bad seit fast einer Woche. Das erste Mal, dass ich mich richtig entspannen kann …
Ich will meinen Kopf frei kriegen und mich nur darauf konzentrieren hier zu sein. Jetzt, in diesem Moment.
Der Tag heute war schauerlich und erschreckend. Morgen wird auch schwierig werden. Atme ruhig. Lass alles los. Nur für ein paar Minuten. Lass alles los und genieß die Wärme.
Aber ich kann es nicht. Irgendetwas nagt weiter in meinem Kopf und auf einmal tauchen Wörter aus Harrys Buch auf. Das Ende der Geschichte.
George hob die Pistole, griff sie fest und richtete die Mündung direkt auf Lennies Hinterkopf. Seine Hand zitterte heftig, aber sein Gesicht straffte sich und seine Hand wurde ruhig. Dann drückte er den Abzug. Der Knall rollte die Hügel hinauf und wieder herunter. Lennie gab ein Geräusch von sich, dann fiel er langsam nach vorn in den Sand und blieb reglos liegen.
Sie endet mit dem Tod. Und ich habe das schreckliche Gefühl, dass unsere Geschichte noch nicht zu Ende ist. Rob hat keine Pistole. Es wird nicht mit einer Kugel in den Hinterkopf enden. Aber er ist noch nicht fertig. Ich kenne das Ende. Wenn ich genau nachdenke, in mich hineinschaue, liegt die Antwort dort bereit.
Ich gerate allmählich wieder in Panik. Ich bin nass. So nass, wie ich nur sein kann, ohne den Kopf unterzutauchen. Wo also ist er? In der Kapelle hat er gedroht, uns alle umzubringen. Und das Fenster ist nicht von allein aus dem Rahmen geborsten. Irgendetwas hat es nach außen geschlagen. Und dann ist er … wohin? Er ist nicht mit mir nach Hause gekommen. Ich glaube nicht, dass er wirklich endgültig fort ist, gen Himmel oder Hölle gefahren ist oder was immer als Nächstes kommt.
Ich zerbreche mir den Kopf, um mich zu erinnern, was er gesagt hat.
Ich kriege dich und ich kriege sie. Niemand kann mich aufhalten. Ich bringe euch alle um!
Heißt das, er braucht meine Hilfe nicht mehr, er kann selber töten?
Und dann erinnere ich mich an die Kraft seiner Wut, wie er mich mit aller Macht daran gehindert hat zu verschwinden. Er ist nicht hier, also muss er woanders sein. Bei jemand anderem.
Die Zeit ist um.
Neisha. Sie ist nicht in Sicherheit. Sie ist ganz und gar nicht
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