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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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„Eigentlich kränkt es mich
    doch“, hielt er es wirklich für unverfänglich, dem
     Freund alles zu schreiben. „So bin ich und so hat er
    mich hinzunehmen“, sagte er sich, „ich kann nicht aus
    mir einen Menschen herausschneiden, der vielleicht für
    die Freundscha mit ihm geeigneter wäre, als ich es
    bin.“
     Und tatsächlich berichtete er seinem Freunde in dem
    langen Brief, den er an diesem Sonntagvormittag
    schrieb, die erfolgte Verlobung mit folgenden Worten:
    „Die beste Neuigkeit habe ich mir bis zum Schluß auf-
    gespart. Ich habe mich mit einem Fräulein Frieda Bran-
     denfeld verlobt, einem Mädchen aus einer wohlhaben-
    den Familie, die sich hier erst lange nach Deiner Abreise
    angesiedelt hat, die Du also kaum kennen dürest. Es
    wird sich noch Gelegenheit finden, Dir Näheres über
    meine Braut mitzuteilen, heute genüge Dir, daß ich recht
     glücklich bin und daß sich in unserem gegenseitigen Ver-
    hältnis nur insofern etwas geändert hat, als Du jetzt in
    mir statt eines ganz gewöhnlichen Freundes einen glück-
    [  ]
    lichen Freund haben wirst. Außerdem bekommst Du in
    meiner Braut, die Dich herzlich grüßen läßt, und die Dir
    nächstens selbst schreiben wird, eine aufrichtige Freun-
    din, was für einen Junggesellen nicht ganz ohne Bedeu-
    tung ist. Ich weiß, es hält Dich vielerlei von einem Besu- 
    che bei uns zurück. Wäre aber nicht gerade meine Hoch-
    zeit die richtige Gelegenheit, einmal alle Hindernisse
    über den Haufen zu werfen? Aber wie dies auch sein
    mag, handle ohne alle Rücksicht und nur nach Deiner
    Wohlmeinung.“
    
    Mit diesem Brief in der Hand war Georg lange, das
    Gesicht dem Fenster zugekehrt, an seinem Schreibtisch
    gesessen. Einem Bekannten, der ihn im Vorübergehen
    von der Gasse aus gegrüßt hatte, hatte er kaum mit ei-
    nem abwesenden Lächeln geantwortet.
    
    Endlich steckte er den Brief in die Tasche und ging aus
    seinem Zimmer quer durch einen kleinen Gang in das
    Zimmer seines Vaters, in dem er schon seit Monaten
    nicht gewesen war. Es bestand auch sonst keine Nöti-
    gung dazu, denn er verkehrte mit seinem Vater ständig 
    im Geschä. Das Mittagessen nahmen sie gleichzeitig in
    einem Speisehaus ein, abends versorgte sich zwar jeder
    nach Belieben; doch saßen sie dann noch ein Weilchen,
    meistens jeder mit seiner Zeitung, im gemeinsamen
    Wohnzimmer, wenn nicht Georg, wie es am häufigsten 
    geschah, mit Freunden beisammen war oder jetzt seine
    Braut besuchte.
    [  ]
    Georg staunte darüber, wie dunkel das Zimmer des
    Vaters selbst an diesem sonnigen Vormittag war. Einen
    solchen Schatten warf also die hohe Mauer, die sich jen-
    seits des schmalen Hofes erhob. Der Vater saß beim Fen-
     ster in einer Ecke, die mit verschiedenen Andenken an
    die selige Mutter ausgeschmückt war, und las die Zei-
    tung, die er seitlich vor die Augen hielt, wodurch er
    irgend eine Augenschwäche auszugleichen suchte. Auf
    dem Tisch standen die Reste des Frühstücks, von dem
     nicht viel verzehrt zu sein schien.
    „Ah, Georg!“ sagte der Vater und ging ihm gleich
    entgegen. Sein schwerer Schlafrock öffnete sich im Ge-
    hen, die Enden umflatterten ihn – „mein Vater ist noch
    immer ein Riese“, dachte sich Georg.
     „Hier ist es ja unerträglich dunkel“, sagte er dann.
    „Ja, dunkel ist es schon“, antwortete der Vater.
    „Das Fenster hast du auch geschlossen?“
    „Ich habe es lieber so.“
    „Es ist ja ganz warm draußen“, sagte Georg, wie im
     Nachhang zu dem Früheren, und setzte sich.
    Der Vater räumte das Frühstücksgeschirr ab und stell-
    te es auf einen Kasten.
    „Ich wollte dir eigentlich nur sagen“, fuhr Georg fort,
    der den Bewegungen des alten Mannes ganz verloren
     folgte, „daß ich nun doch nach Petersburg meine Verlo-
    bung angezeigt habe.“ Er zog den Brief ein wenig aus
    der Tasche und ließ ihn wieder zurückfallen.
    [  ]
    „Nach Petersburg?“ fragte der Vater.
    „Meinem Freunde doch“, sagte Georg und suchte des
    Vaters Augen. – „Im Geschä ist er doch ganz anders“,
    dachte er, „wie er hier breit sitzt und die Arme über der
    Brust kreuzt.“
    
    „Ja. Deinem Freunde“, sagte der Vater mit Betonung.
    „Du weißt doch, Vater, daß ich ihm meine Verlobung
    zuerst verschweigen wollte. Aus Rücksichtnahme, aus
    keinem anderen Grunde sonst. Du weißt selbst, er ist ein
    schwieriger Mensch. Ich sagte mir, von

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