Drucke zu Lebzeiten
Denkt Euch, die schlafen nicht!“
„Und warum denn nicht?“
„Weil sie nicht müde werden.“
„Und warum denn nicht?“
„Weil sie Narren sind.“
„Werden denn Narren nicht müde?“
„Wie könnten Narren müde werden!“
Entlarvung eines Bauernfängers
Endlich gegen Uhr abends kam ich mit einem mir von
früher her nur flüchtig bekannten Mann, der sich mir
diesmal unversehens wieder angeschlossen und mich
zwei Stunden lang in den Gassen herumgezogen hatte,
vor dem herrschalichen Hause an, in das ich zu einer
Gesellscha geladen war.
„So!“ sagte ich und klatschte in die Hände zum Zei-
chen der unbedingten Notwendigkeit des Abschieds.
Weniger bestimmte Versuche hatte ich schon einige ge-
macht. Ich war schon ganz müde.
„Gehn Sie gleich hinauf?“ fragte er. In seinem Munde
hörte ich ein Geräusch wie vom Aneinanderschlagen der
Zähne.
„Ja.“
[ ]
Ich war doch eingeladen, ich hatte es ihm gleich ge-
sagt. Aber ich war eingeladen, hinaufzukommen, wo ich
schon so gerne gewesen wäre, und nicht hier unten vor
dem Tor zu stehn und an den Ohren meines Gegenübers
vorüberzuschauen. Und jetzt noch mit ihm stumm zu
werden, als seien wir zu einem langen Aufenthalt auf
diesem Fleck entschlossen. Dabei nahmen an diesem
Schweigen gleich die Häuser rings herum ihren Anteil,
und das Dunkel über ihnen bis zu den Sternen. Und die
Schritte unsichtbarer Spaziergänger, deren Wege zu erra-
ten man nicht Lust hatte, der Wind, der immer wieder
an die gegenüberliegende Straßenseite sich drückte, ein
Grammophon, das gegen die geschlossenen Fenster ir-
gendeines Zimmers sang, – sie ließen aus diesem Schwei-
gen sich hören, als sei es ihr Eigentum seit jeher und für
immer.
Und mein Begleiter fügte sich in seinem und – nach
einem Lächeln – auch in meinem Namen, streckte die
Mauer entlang den rechten Arm aufwärts und lehnte
sein Gesicht, die Augen schließend, an ihn.
Doch dieses Lächeln sah ich nicht mehr ganz zu Ende,
denn Scham drehte mich plötzlich herum. Erst an die-
sem Lächeln also hatte ich erkannt, daß das ein Bauern-
fänger war, nichts weiter. Und ich war doch schon Mo-
nate lang in dieser Stadt, hatte geglaubt, diese Bauern-
fänger durch und durch zu kennen, wie sie bei Nacht aus
Seitenstraßen, die Hände vorgestreckt, wie Gastwirte
[ ]
uns entgegentreten, wie sie sich um die Anschlagsäule,
bei der wir stehen, herumdrücken, wie zum Verstecken-
spielen und hinter der Säulenrundung hervor zumindest
mit einem Auge spionieren, wie sie in Straßenkreuzun-
gen, wenn wir ängstlich werden, auf einmal vor uns
schweben auf der Kante unseres Trottoirs! Ich verstand
sie doch so gut, sie waren ja meine ersten städtischen
Bekannten in den kleinen Wirtshäusern gewesen, und
ich verdankte ihnen den ersten Anblick einer Unnach-
giebigkeit, die ich mir jetzt so wenig von der Erde weg-
denken konnte, daß ich sie schon in mir zu fühlen be-
gann. Wie standen sie einem noch gegenüber, selbst
wenn man ihnen schon längst entlaufen war, wenn es
also längst nichts mehr zu fangen gab! Wie setzten sie
sich nicht, wie fielen sie nicht hin, sondern sahen einen
mit Blicken an, die noch immer, wenn auch nur aus der
Ferne, überzeugten! Und ihre Mittel waren stets die
gleichen: Sie stellten sich vor uns hin, so breit sie konn-
ten; suchten uns abzuhalten von dort, wohin wir streb-
ten; bereiteten uns zum Ersatz eine Wohnung in ihrer
eigenen Brust, und bäumte sich endlich das gesammelte
Gefühl in uns auf, nahmen sie es als Umarmung, in die
sie sich warfen, das Gesicht voran.
Und diese alten Spaße hatte ich diesmal erst nach so
langem Beisammensein erkannt. Ich zerrieb mir die Fin-
gerspitzen an einander, um die Schande ungeschehen zu
machen.
[ ]
Mein Mann aber lehnte hier noch wie früher, hielt sich
noch immer für einen Bauernfänger, und die Zufrieden-
heit mit seinem Schicksal rötete ihm die freie Wange.
„Erkannt!“ sagte ich und klope ihm noch leicht auf
die Schulter. Dann eilte ich die Treppe hinauf und die so
grundlos treuen Gesichter der Dienerscha oben im
Vorzimmer freuten mich wie eine schöne Überraschung.
Ich sah sie alle der Reihe nach an, während man mir den
Mantel abnahm und die Stiefel abstaubte. Aufatmend
und langgestreckt betrat ich dann den Saal.
Der
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