Drucke zu Lebzeiten
denke ich, daß sie nicht lange so erhalten
bleiben, sondern Falten bekommen, nicht mehr gerade
zu glätten, Staub bekommen, der, dick in der Verzie-
rung, nicht mehr zu entfernen ist, und daß niemand so
traurig und lächerlich sich wird machen wollen, täglich
das gleiche kostbare Kleid früh anzulegen und abends
auszuziehn.
Doch sehe ich Mädchen, die wohl schön sind und
vielfache reizende Muskeln und Knöchelchen und ge-
spannte Haut und Massen dünner Haare zeigen, und
doch tagtäglich in diesem einen natürlichen Maskenan-
[ ]
zug erscheinen, immer das gleiche Gesicht in die glei-
chen Handflächen legen und von ihrem Spiegel Wider-
scheinen lassen.
Nur manchmal am Abend, wenn sie spät von einem
Feste kommen, scheint es ihnen im Spiegel abgenützt,
gedunsen, verstaubt, von allen schon gesehn und kaum
mehr tragbar.
Die Abweisung
Wenn ich einem schönen Mädchen begegne und sie bit-
te: „Sei so gut, komm mit mir“ und sie stumm vorüber-
geht, so meint sie damit:
„Du bist kein Herzog mit fliegendem Namen, kein
breiter Amerikaner mit indianischem Wuchs, mit wag-
recht ruhenden Augen, mit einer von der Lu der Ra-
senplätze und der sie durchströmenden Flüsse massier-
ten Haut, Du hast keine Reisen gemacht zu den großen
Seen und auf ihnen, die ich weiß nicht wo zu finden
sind. Also ich bitte, warum soll ich, ein schönes Mäd-
chen, mit Dir gehn?“
„Du vergißt, Dich trägt kein Automobil in langen Stö-
ßen schaukelnd durch die Gasse; ich sehe nicht die in
ihre Kleider gepreßten Herren Deines Gefolges, die Se-
[ ]
gensprüche für Dich murmelnd in genauem Halbkreis
hinter Dir gehn; Deine Brüste sind im Mieder gut geord-
net, aber Deine Schenkel und Hüen entschädigen sich
für jene Enthaltsamkeit; Du trägst ein Taffetkleid mit
plissierten Falten, wie es im vorigen Herbste uns durch-
aus allen Freude machte, und doch lächelst Du – diese
Lebensgefahr auf dem Leibe – bisweilen.“
„Ja, wir haben beide recht und, um uns dessen nicht
unwiderleglich bewußt zu werden, wollen wir, nicht
wahr, lieber jeder allein nach Hause gehn.“
Zum Nachdenken für Herrenreiter
Nichts, wenn man es überlegt, kann dazu verlocken, in
einem Wettrennen der erste sein zu wollen.
Der Ruhm, als der beste Reiter eines Landes aner-
kannt zu werden, freut beim Losgehn des Orchesters zu
stark, als daß sich am Morgen danach die Reue verhin-
dern ließe.
Der Neid der Gegner, listiger, ziemlich einflußreicher
Leute, muß uns in dem engen Spalier schmerzen, das wir
nun durchreiten nach jener Ebene, die bald vor uns leer
war bis auf einige überrundete Reiter, die klein gegen
den Rand des Horizonts anritten.
[ ]
Viele unserer Freunde eilen den Gewinn zu beheben
und nur über die Schultern weg schreien sie von den
entlegenen Schaltern ihr Hurra zu uns; die besten
Freunde aber haben gar nicht auf unser Pferd gesetzt, da
sie fürchteten, käme es zum Verluste, müßten sie uns
böse sein, nun aber, da unser Pferd das erste war und
sie nichts gewonnen haben, drehn sie sich um, wenn
wir vorüberkommen und schauen lieber die Tribünen
entlang.
Die Konkurrenten rückwärts, fest im Sattel, suchen
das Unglück zu überblicken, das sie getroffen hat, und
das Unrecht, das ihnen irgendwie zugefügt wird; sie
nehmen ein frisches Aussehen an, als müsse ein neues
Rennen anfangen und ein ernsthaes nach diesem Kin-
derspiel.
Vielen Damen scheint der Sieger lächerlich, weil er
sich auläht und doch nicht weiß, was anzufangen mit
dem ewigen Händeschütteln, Salutieren, Sich-Nieder-
beugen und In-die-Ferne-Grüßen, während die Besieg-
ten den Mund geschlossen haben und die Hälse ihrer
meist wiehernden Pferde leichthin klopfen.
Endlich fängt es gar aus dem trüb gewordenen Him-
mel zu regnen an.
[ ]
Das Gassenfenster
Wer verlassen lebt und sich doch hie und da irgendwo
anschließen möchte, wer mit Rücksicht auf die Verände-
rungen der Tageszeit, der Witterung, der Berufsverhält-
nisse und dergleichen ohne weiteres irgend einen belie-
bigen Arm sehen will, an dem er sich halten könnte, –
der wird es ohne ein Gassenfenster nicht lange treiben.
Und steht es mit ihm so, daß er gar nichts sucht und nur
als müder Mann, die Augen auf und ab zwischen Publi-
kum und Himmel, an seine Fensterbrüstung tritt,
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