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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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plötzliche Spaziergang
    Wenn man sich am Abend endgültig entschlossen zu
    haben scheint, zu Hause zu bleiben, den Hausrock ange-
    zogen hat, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Ti-
    sche sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen 
    hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgemäß
    schlafen geht, wenn draußen ein unfreundliches Wet-
    ter ist, welches das Zuhausebleiben selbstverständlich
    macht, wenn man jetzt auch schon so lange bei Tisch
    stillgehalten hat, daß das Weggehen allgemeines Erstau- 
    nen hervorrufen müßte, wenn nun auch schon das Trep-
    penhaus dunkel und das Haustor gesperrt ist, und wenn
    [  ]
    man nun trotz alledem in einem plötzlichen Unbehagen
    aufsteht, den Rock wechselt, sofort straßenmäßig ange-
    zogen erscheint, weggehen zu müssen erklärt, es nach
    kurzem Abschied auch tut, je nach der Schnelligkeit, mit
     der man die Wohnungstür zuschlägt, mehr oder weniger
    Arger zu hinterlassen glaubt, wenn man sich auf der
    Gasse wiederfindet, mit Gliedern, die diese schon uner-
    wartete Freiheit, die man ihnen verscha hat, mit be-
    sonderer Beweglichkeit beantworten, wenn man durch
     diesen einen Entschluß alle Entschlußfähigkeit in sich
    gesammelt fühlt, wenn man mit größerer als der ge-
    wöhnlichen Bedeutung erkennt, daß man ja mehr Kra
    als Bedürfnis hat, die schnellste Veränderung leicht zu
    bewirken und zu ertragen, und wenn man so die langen
     Gassen hinläu, – dann ist man für diesen Abend gänz-
    lich aus seiner Familie ausgetreten, die ins Wesenlose
    abschwenkt, während man selbst, ganz fest, schwarz vor
    Umrissenheit, hinten die Schenkel schlagend, sich zu
    seiner wahren Gestalt erhebt.
     Verstärkt wird alles noch, wenn man zu dieser späten
    Abendzeit einen Freund aufsucht, um nachzusehen, wie
    es ihm geht.
    [  ]
    Entschlüsse
    Aus einem elenden Zustand sich zu erheben, muß selbst
    mit gewollter Energie leicht sein. Ich reiße mich vom
    Sessel los, umlaufe den Tisch, mache Kopf und Hals
    beweglich, bringe Feuer in die Augen, spanne die Mus- 
    keln um sie herum. Arbeite jedem Gefühl entgegen, be-
    grüße A. stürmisch, wenn er jetzt kommen wird, dulde
    B. freundlich in meinem Zimmer, ziehe bei C. alles, was
    gesagt wird, trotz Schmerz und Mühe mit langen Zügen
    in mich hinein.
    
    Aber selbst wenn es so geht, wird mit jedem Fehler,
    der nicht ausbleiben kann, das Ganze, das Leichte und
    das Schwere, stocken, und ich werde mich im Kreise
    zurückdrehen müssen.
    Deshalb bleibt doch der beste Rat, alles hinzunehmen, 
    als schwere Masse sich verhalten und fühle man sich
    selbst fortgeblasen, keinen unnötigen Schritt sich ablok-
    ken lassen, den anderen mit Tierblick anschaun, keine
    Reue fühlen, kurz, das, was vom Leben als Gespenst
    noch übrig ist, mit eigener Hand niederdrücken, d. h. 
    die letzte grabmäßige Ruhe noch vermehren und nichts
    außer ihr mehr bestehen lassen.
    Eine charakteristische Bewegung eines solchen Zu-
    standes ist das Hinfahren des kleinen Fingers über die
    Augenbrauen.
    
    [  ]
    Der Ausflug ins Gebirge
    „Ich weiß nicht“, rief ich ohne Klang, „ich weiß ja nicht.
    Wenn niemand kommt, dann kommt eben niemand. Ich
    habe niemandem etwas Böses getan, niemand hat mir
     etwas Böses getan, niemand aber will mir helfen. Lauter
    niemand. Aber so ist es doch nicht. Nur daß mir nie-
    mand hil –, sonst wäre lauter niemand hübsch. Ich
    würde ganz gern – warum denn nicht – einen Ausflug
    mit einer Gesellscha von lauter Niemand machen. Na-
     türlich ins Gebirge, wohin denn sonst? Wie sich diese
    Niemand aneinander drängen, diese vielen quer ge-
    streckten und eingehängten Arme, diese vielen Füße,
    durch winzige Schritte getrennt! Versteht sich, daß alle
    in Frack sind. Wir gehen so lala, der Wind fährt durch
     die Lücken, die wir und unsere Gliedmaßen offen lassen.
    Die Hälse werden im Gebirge frei! Es ist ein Wunder,
    daß wir nicht singen.“
    Das Unglück des Junggesellen
    Es scheint so arg, Junggeselle zu bleiben, als alter Mann
     unter schwerer Wahrung der Würde um Aufnahme zu
    bitten, wenn man einen Abend mit Menschen verbrin-
    [  ]
    gen will, krank zu sein und aus dem Winkel seines Bettes
    wochenlang das leere Zimmer anzusehn, immer vor dem
    Haustor Abschied zu nehmen, niemals neben seiner
    Frau sich die Treppe hinaufzudrängen, in seinem Zim-
    mer nur Seitentüren zu haben, die in

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