Drucke zu Lebzeiten
plötzliche Spaziergang
Wenn man sich am Abend endgültig entschlossen zu
haben scheint, zu Hause zu bleiben, den Hausrock ange-
zogen hat, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Ti-
sche sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen
hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgemäß
schlafen geht, wenn draußen ein unfreundliches Wet-
ter ist, welches das Zuhausebleiben selbstverständlich
macht, wenn man jetzt auch schon so lange bei Tisch
stillgehalten hat, daß das Weggehen allgemeines Erstau-
nen hervorrufen müßte, wenn nun auch schon das Trep-
penhaus dunkel und das Haustor gesperrt ist, und wenn
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man nun trotz alledem in einem plötzlichen Unbehagen
aufsteht, den Rock wechselt, sofort straßenmäßig ange-
zogen erscheint, weggehen zu müssen erklärt, es nach
kurzem Abschied auch tut, je nach der Schnelligkeit, mit
der man die Wohnungstür zuschlägt, mehr oder weniger
Arger zu hinterlassen glaubt, wenn man sich auf der
Gasse wiederfindet, mit Gliedern, die diese schon uner-
wartete Freiheit, die man ihnen verscha hat, mit be-
sonderer Beweglichkeit beantworten, wenn man durch
diesen einen Entschluß alle Entschlußfähigkeit in sich
gesammelt fühlt, wenn man mit größerer als der ge-
wöhnlichen Bedeutung erkennt, daß man ja mehr Kra
als Bedürfnis hat, die schnellste Veränderung leicht zu
bewirken und zu ertragen, und wenn man so die langen
Gassen hinläu, – dann ist man für diesen Abend gänz-
lich aus seiner Familie ausgetreten, die ins Wesenlose
abschwenkt, während man selbst, ganz fest, schwarz vor
Umrissenheit, hinten die Schenkel schlagend, sich zu
seiner wahren Gestalt erhebt.
Verstärkt wird alles noch, wenn man zu dieser späten
Abendzeit einen Freund aufsucht, um nachzusehen, wie
es ihm geht.
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Entschlüsse
Aus einem elenden Zustand sich zu erheben, muß selbst
mit gewollter Energie leicht sein. Ich reiße mich vom
Sessel los, umlaufe den Tisch, mache Kopf und Hals
beweglich, bringe Feuer in die Augen, spanne die Mus-
keln um sie herum. Arbeite jedem Gefühl entgegen, be-
grüße A. stürmisch, wenn er jetzt kommen wird, dulde
B. freundlich in meinem Zimmer, ziehe bei C. alles, was
gesagt wird, trotz Schmerz und Mühe mit langen Zügen
in mich hinein.
Aber selbst wenn es so geht, wird mit jedem Fehler,
der nicht ausbleiben kann, das Ganze, das Leichte und
das Schwere, stocken, und ich werde mich im Kreise
zurückdrehen müssen.
Deshalb bleibt doch der beste Rat, alles hinzunehmen,
als schwere Masse sich verhalten und fühle man sich
selbst fortgeblasen, keinen unnötigen Schritt sich ablok-
ken lassen, den anderen mit Tierblick anschaun, keine
Reue fühlen, kurz, das, was vom Leben als Gespenst
noch übrig ist, mit eigener Hand niederdrücken, d. h.
die letzte grabmäßige Ruhe noch vermehren und nichts
außer ihr mehr bestehen lassen.
Eine charakteristische Bewegung eines solchen Zu-
standes ist das Hinfahren des kleinen Fingers über die
Augenbrauen.
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Der Ausflug ins Gebirge
„Ich weiß nicht“, rief ich ohne Klang, „ich weiß ja nicht.
Wenn niemand kommt, dann kommt eben niemand. Ich
habe niemandem etwas Böses getan, niemand hat mir
etwas Böses getan, niemand aber will mir helfen. Lauter
niemand. Aber so ist es doch nicht. Nur daß mir nie-
mand hil –, sonst wäre lauter niemand hübsch. Ich
würde ganz gern – warum denn nicht – einen Ausflug
mit einer Gesellscha von lauter Niemand machen. Na-
türlich ins Gebirge, wohin denn sonst? Wie sich diese
Niemand aneinander drängen, diese vielen quer ge-
streckten und eingehängten Arme, diese vielen Füße,
durch winzige Schritte getrennt! Versteht sich, daß alle
in Frack sind. Wir gehen so lala, der Wind fährt durch
die Lücken, die wir und unsere Gliedmaßen offen lassen.
Die Hälse werden im Gebirge frei! Es ist ein Wunder,
daß wir nicht singen.“
Das Unglück des Junggesellen
Es scheint so arg, Junggeselle zu bleiben, als alter Mann
unter schwerer Wahrung der Würde um Aufnahme zu
bitten, wenn man einen Abend mit Menschen verbrin-
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gen will, krank zu sein und aus dem Winkel seines Bettes
wochenlang das leere Zimmer anzusehn, immer vor dem
Haustor Abschied zu nehmen, niemals neben seiner
Frau sich die Treppe hinaufzudrängen, in seinem Zim-
mer nur Seitentüren zu haben, die in
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