Drucke zu Lebzeiten
fremde Wohnungen
führen, sein Nachtmahl in einer Hand nach Hause zu
tragen, fremde Kinder anstaunen zu müssen und nicht
immerfort wiederholen zu dürfen: „Ich habe keine“,
sich im Aussehn und Benehmen nach ein oder zwei
Junggesellen der Jugenderinnerungen auszubilden.
So wird es sein, nur daß man auch in Wirklichkeit
heute und später selbst dastehen wird, mit einem Körper
und einem wirklichen Kopf, also auch einer Stirn, um
mit der Hand an sie zu schlagen.
Der Kaufmann
Es ist möglich, daß einige Leute Mitleid mit mir haben,
aber ich spüre nichts davon. Mein kleines Geschä er-
füllt mich mit Sorgen, die mich innen an Stirne und
Schläfen schmerzen, aber ohne mir Zufriedenheit in
Aussicht zu stellen, denn mein Geschä ist klein.
Für Stunden im voraus muß ich Bestimmungen tref-
fen, das Gedächtnis des Hausdieners wachhalten, vor
[ ]
befürchteten Fehlern warnen und in einer Jahreszeit die
Moden der folgenden berechnen, nicht wie sie unter
Leuten meines Kreises herrschen werden, sondern bei
unzugänglichen Bevölkerungen auf dem Lande.
Mein Geld haben fremde Leute; ihre Verhältnisse
können mir nicht deutlich sein; das Unglück, das sie
treffen könnte, ahne ich nicht; wie könnte ich es abweh-
ren! Vielleicht sind sie verschwenderisch geworden und
geben ein Fest in einem Wirtshausgarten und andere hal-
ten sich für ein Weilchen auf der Flucht nach Amerika
bei diesem Feste auf.
Wenn nun am Abend eines Werketages das Geschä
gesperrt wird und ich plötzlich Stunden vor mir sehe, in
denen ich für die ununterbrochenen Bedürfnisse meines
Geschäes nichts werde arbeiten können, dann wir
sich meine am Morgen weit vorausgeschickte Aufregung
in mich, wie eine zurückkehrende Flut, hält es aber in
mir nicht aus und ohne Ziel reißt sie mich mit.
Und doch kann ich diese Laune gar nicht benützen
und kann nur nach Hause gehn, denn ich habe Gesicht
und Hände schmutzig und verschwitzt, das Kleid fleckig
und staubig, die Geschäsmütze auf dem Kopfe und von
Kistennägeln zerkratzte Stiefel. Ich gehe dann wie auf
Wellen, klappere mit den Fingern beider Hände und mir
entgegenkommenden Kindern fahre ich über das Haar.
Aber der Weg ist zu kurz. Gleich bin ich in meinem
Hause, öffne die Litür und trete ein.
[ ]
Ich sehe, daß ich jetzt und plötzlich allein bin. Andere,
die über Treppen steigen müssen, ermüden dabei ein
wenig, müssen mit eilig atmenden Lungen warten, bis
man die Tür der Wohnung öffnen kommt, haben dabei
einen Grund für Ärger und Ungeduld, kommen jetzt ins
Vorzimmer, wo sie den Hut auängen, und erst bis sie
durch den Gang an einigen Glastüren vorbei in ihr eige-
nes Zimmer kommen, sind sie allein.
Ich aber bin gleich allein im Li, und schaue, auf die
Knie gestützt, in den schmalen Spiegel. Als der Li sich
zu heben anfängt, sage ich:
„Seid still, tretet zurück, wollt Ihr in den Schatten der
Bäume, hinter die Draperien der Fenster, in das Lauben-
gewölbe?“
Ich rede mit den Zähnen und die Treppengeländer
gleiten an den Milchglasscheiben hinunter wie stürzen-
des Wasser.
„Flieget weg; Euere Flügel, die ich niemals gesehen
habe, mögen Euch ins dörfliche Tal tragen oder nach
Paris, wenn es Euch dorthin treibt.
Doch genießet die Aussicht des Fensters, wenn die
Prozessionen aus allen drei Straßen kommen, einander
nicht ausweichen, durcheinander gehn und zwischen ih-
ren letzten Reihen den freien Platz wieder entstehen las-
sen. Winket mit den Tüchern, seid entsetzt, seid gerührt,
lobet die schöne Dame, die vorüberfährt.
Geht über den Bach auf der hölzernen Brücke, nickt
[ ]
den badenden Kindern zu und staunet über das Hurra
der tausend Matrosen auf dem fernen Panzerschiff.
Verfolget nur den unscheinbaren Mann und wenn Ihr
ihn in einen Torweg gestoßen habt, beraubt ihn und seht
ihm dann, jeder die Hände in den Taschen, nach, wie er
traurig seines Weges in die linke Gasse geht.
Die verstreut auf ihren Pferden galoppierende Polizei
bändigt die Tiere und drängt Euch zurück. Lasset sie,
die leeren Gassen werden sie unglücklich machen, ich
weiß es. Schon reiten sie, ich bitte, paarweise weg, lang-
sam um die Straßenecken, fliegend über die Plätze.“
Dann muß ich aussteigen, den Aufzug hinunterlassen,
an der Türglocke
Weitere Kostenlose Bücher