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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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zusam-
    men, die Degenstücke, die Scheide und den Riemen und
     warf es so heig weg, daß es unten in der Grube anein-
    ander klang.
    Nun stand er nackt da. Der Reisende biß sich auf die
    Lippen und sagte nichts. Er wußte zwar, was geschehen
    würde, aber er hatte kein Recht, den Offizier an irgend
     etwas zu hindern. War das Gerichtsverfahren, an dem
    der Offizier hing, wirklich so nahe daran behoben zu
    werden – möglicherweise infolge des Einschreitens des
    [  ]
    Reisenden, zu dem sich dieser seinerseits verpflichtet
    fühlte – dann handelte jetzt der Offizier vollständig rich-
    tig; der Reisende hätte an seiner Stelle nicht anders ge-
    handelt.
    Der Soldat und der Verurteilte verstanden zuerst 
    nichts, sie sahen anfangs nicht einmal zu. Der Verurteilte
    war sehr erfreut darüber, die Taschentücher zurücker-
    halten zu haben, aber er dure sich nicht lange an ihnen
    freuen, denn der Soldat nahm sie ihm mit einem raschen,
    nicht vorherzusehenden Griff. Nun versuchte wieder 
    der Verurteilte dem Soldaten die Tücher hinter dem
    Gürtel, hinter dem er sie verwahrt hatte, hervorzu-
    ziehen, aber der Soldat war wachsam. So stritten sie in
    halbem Scherz. Erst als der Offizier vollständig nackt
    war, wurden sie aufmerksam. Besonders der Verurteil- 
    te schien von der Ahnung irgendeines großen Um-
    schwungs getroffen zu sein. Was ihm geschehen war,
    geschah nun dem Offizier. Vielleicht würde es so bis
    zum Äußersten gehen. Wahrscheinlich hatte der fremde
    Reisende den Befehl dazu gegeben. Das war also Rache. 
    Ohne selbst bis zum Ende gelitten zu haben, wurde er
    doch bis zum Ende gerächt. Ein breites, lautloses La-
    chen erschien nun auf seinem Gesicht und verschwand
    nicht mehr.
    Der Offizier aber hatte sich der Maschine zugewen- 
    det. Wenn es schon früher deutlich gewesen war, daß er
    die Maschine gut verstand, so konnte es jetzt einen fast
    [  ]
    bestürzt machen, wie er mit ihr umging und wie sie
    gehorchte. Er hatte die Hand der Egge nur genähert,
    und sie hob und senkte sich mehrmals, bis sie die richti-
    ge Lage erreicht hatte um ihn zu empfangen; er faßte das
     Bett nur am Rande, und es fing schon zu zittern an; der
    Filzstumpf kam seinem Mund entgegen, man sah, wie
    der Offizier ihn eigentlich nicht haben wollte, aber das
    Zögern dauerte nur einen Augenblick, gleich fügte er
    sich und nahm ihn auf. Alles war bereit, nur die Riemen
     hingen noch an den Seiten hinunter, aber sie waren of-
    fenbar unnötig, der Offizier mußte nicht angeschnallt
    sein. Da bemerkte der Verurteilte die losen Riemen, sei-
    ner Meinung nach war die Exekution nicht vollkommen,
    wenn die Riemen nicht festgeschnallt waren, er winkte
     eifrig dem Soldaten, und sie liefen hin, den Offizier an-
    zuschnallen. Dieser hatte schon den einen Fuß ausge-
    streckt, um in die Kurbel zu stoßen, die den Zeichner in
    Gang bringen sollte; da sah er, daß die zwei gekommen
    waren; er zog daher den Fuß zurück und ließ sich an-
     schnallen. Nun konnte er allerdings die Kurbel nicht
    mehr erreichen; weder der Soldat noch der Verurteilte
    würden sie auffinden, und der Reisende war entschlos-
    sen, sich nicht zu rühren. Es war nicht nötig; kaum
    waren die Riemen angebracht, fing auch schon die Ma-
     schine zu arbeiten an; das Bett zitterte, die Nadeln tanz-
    ten auf der Haut, die Egge schwebte auf und ab. Der
    Reisende hatte schon eine Weile hingestarrt, ehe er sich
    [  ]
    erinnerte, daß ein Rad im Zeichner hätte kreischen sol-
    len; aber alles war still, nicht das geringste Surren war zu
    hören.
    Durch diese stille Arbeit entschwand die Maschine
    förmlich der Aufmerksamkeit. Der Reisende sah zu dem 
    Soldaten und dem Verurteilten hinüber. Der Verurteilte
    war der lebhaere, alles an der Maschine interessierte
    ihn, bald beugte er sich nieder, bald streckte er sich,
    immerfort hatte er den Zeigefinger ausgestreckt, um dem
    Soldaten etwas zu zeigen. Dem Reisenden war es pein- 
    lich. Er war entschlossen, hier bis zum Ende zu bleiben,
    aber den Anblick der zwei hätte er nicht lange ertragen.
    „Geht nach Hause“, sagte er. Der Soldat wäre dazu viel-
    leicht bereit gewesen, aber der Verurteilte empfand den
    Befehl geradezu als Strafe. Er bat flehentlich mit gefalte- 
    ten Händen ihn hier zu lassen, und als der Reisende
    kopfschüttelnd nicht nachgeben wollte, kniete er sogar
    nieder. Der Reisende sah, daß

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