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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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wenn Sie schon einmal
    da sind. Sie sind mein Gast. Vertrauen Sie mir völlig.
     Machen Sie sich nur breit ohne Angst. Ich werde Sie
    weder zum Hierbleiben zwingen, noch zum Weggehn.
    Muß ich das erst sagen? Kennen Sie mich so schlecht?“
    „Nein. Sie hätten das wirklich nicht sagen müssen.
    Noch mehr, Sie hätten es gar nicht sagen sollen. Ich bin
     ein Kind; warum soviel Umstände mit mir machen?“
    „So schlimm ist es nicht. Natürlich, ein Kind. Aber
    gar so klein sind Sie nicht. Sie sind schon ganz erwach-
    sen. Wenn Sie ein Mädchen wären, düren Sie sich nicht
    so einfach mit mir in einem Zimmer einsperren.“
     „Darüber müssen wir uns keine Sorge machen. Ich
    wollte nur sagen: Daß ich Sie so gut kenne, schützt mich
    wenig, es enthebt Sie nur der Anstrengung, mir etwas
    vorzulügen. Trotzdem aber machen Sie mir Kompli-
    mente. Lassen Sie das, ich fordere Sie auf, lassen Sie das.
     Dazu kommt, daß ich Sie nicht überall und immerfort
    kenne, gar bei dieser Finsternis. Es wäre viel besser,
    wenn Sie Licht machen ließen. Nein, lieber nicht. Im-
    merhin werde ich mir merken, daß Sie mir schon ge-
    droht haben.“
     „Wie? Ich hätte Ihnen gedroht? Aber ich bitte Sie. Ich
    bin ja so froh, daß Sie endlich hier sind. Ich sage ,end-
    lich‘, weil es schon so spät ist. Es ist mir unbegreiflich,
    [  ]
    warum Sie so spät gekommen sind. Da ist es möglich,
    daß ich in der Freude so durcheinander gesprochen habe
    und daß Sie es gerade so verstanden haben. Daß ich so
    gesprochen habe, gebe ich zehnmal zu, ja ich habe Ihnen
    mit Allem gedroht, was Sie wollen. – Nur keinen Streit, 
    um Himmelswillen! – Aber wie konnten Sie es glauben?
    Wie konnten Sie mich so kränken? Warum wollen Sie
    mir mit aller Gewalt dieses kleine Weilchen Ihres Hier-
    seins verderben? Ein fremder Mensch wäre entgegen-
    kommender als Sie.“
    
    „Das glaube ich; das war keine Weisheit. So nah, als
    Ihnen ein fremder Mensch entgegenkommen kann, bin
    ich Ihnen schon von Natur aus. Das wissen Sie auch,
    wozu also die Wehmut? Sagen Sie, daß Sie Komödie
    spielen wollen, und ich gehe augenblicklich.“
    
    „So? Auch das wagen Sie mir zu sagen? Sie sind ein
    wenig zu kühn. Am Ende sind Sie doch in meinem Zim-
    mer. Sie reiben Ihre Finger wie verrückt an meiner
    Wand. Mein Zimmer, meine Wand! Und außerdem ist
    das, was Sie sagen, lächerlich, nicht nur frech. Sie sagen, 
    Ihre Natur zwinge Sie, mit mir in dieser Weise zu reden.
    Wirklich? Ihre Natur zwingt Sie? Das ist nett von Ihrer
    Natur. Ihre Natur ist meine, und wenn ich mich von
    Natur aus freundlich zu Ihnen verhalte, so dürfen auch
    Sie nicht anders.“
    
    „Ist das freundlich?“
    „Ich rede von früher.“
    [  ]
    „Wissen Sie, wie ich später sein werde?“
    „Nichts weiß ich.“
    Und ich ging zum Nachttisch hin, auf dem ich die
    Kerze anzündete. Ich hatte in jener Zeit weder Gas noch
     elektrisches Licht in meinem Zimmer. Ich saß dann noch
    eine Weile beim Tisch, bis ich auch dessen müde wurde,
    den Überzieher anzog, den Hut vom Kanapee nahm und
    die Kerze ausblies. Beim Hinausgehen verfing ich mich
    in ein Sesselbein.
     Auf der Treppe traf ich einen Mieter aus dem gleichen
    Stockwerk.
    „Sie gehen schon wieder weg, Sie Lump?“ fragte er,
    auf seinen über zwei Stufen ausgebreiteten Beinen aus-
    ruhend.
     „Was soll ich machen?“ sagte ich, „jetzt habe ich ein
    Gespenst im Zimmer gehabt.“
    „Sie sagen das mit der gleichen Unzufriedenheit, wie
    wenn Sie ein Haar in der Suppe gefunden hätten.“
    „Sie spaßen. Aber merken Sie sich, ein Gespenst ist ein
     Gespenst.“
    „Sehr wahr. Aber wie, wenn man überhaupt nicht an
    Gespenster glaubt?“
    „Ja meinen Sie denn, ich glaube an Gespenster? Was
    hil mir aber dieses Nichtglauben?“
     „Sehr einfach. Sie müssen eben keine Angst mehr ha-
    ben, wenn ein Gespenst wirklich zu Ihnen kommt.“
    „Ja, aber das ist doch die nebensächliche Angst. Die
    [  ]
    eigentliche Angst ist die Angst vor der Ursache der Er-
    scheinung. Und diese Angst bleibt. Die habe ich gerade-
    zu großartig in mir.“ Ich fing vor Nervosität an, alle
    meine Taschen zu durchsuchen.
    „Da Sie aber vor der Erscheinung selbst keine Angst 
    hatten, hätten Sie sie doch ruhig nach ihrer Ursache fra-
    gen können!“
    „Sie haben offenbar noch nie mit Gespenstern gespro-
    chen. Aus denen kann man ja niemals eine klare

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