Drucke zu Lebzeiten
Aus-
kun bekommen. Das ist ein Hinundher. Diese Gespen-
ster scheinen über ihre Existenz mehr im Zweifel zu
sein, als wir, was übrigens bei ihrer Hinfälligkeit kein
Wunder ist.“
„Ich habe aber gehört, daß man sie auffüttern kann.“
„Da sind Sie gut berichtet. Das kann man. Aber wer
wird das machen?“
„Warum nicht? Wenn es ein weibliches Gespenst ist
z. B.“, sagte er und schwane sich auf die obere Stufe.
„Ach so“, sagte ich, „aber selbst dann steht es nicht
dafür.“
Ich besann mich. Mein Bekannter war schon so hoch,
daß er sich, um mich zu sehen, unter einer Wölbung des
Treppenhauses vorbeugen mußte. „Aber trotzdem“, rief
ich, „wenn Sie mir dort oben mein Gespenst wegneh-
men, dann ist es zwischen uns aus, für immer.“
„Aber das war ja nur Spaß“, sagte er und zog den
Kopf zurück.
[ ]
„Dann ist es gut“, sagte ich und hatte jetzt eigentlich
ruhig spazieren gehen können. Aber weil ich mich gar so
verlassen fühlte, ging ich lieber hinauf und legte mich
schlafen.
[ ]
Das Urteil
Eine Geschichte
Für F.
Es war an einem Sonntagvormittag im schönsten Früh-
jahr. Georg Bendemann, ein junger Kaufmann, saß in
seinem Privatzimmer im ersten Stock eines der niedrigen,
leichtgebauten Häuser, die entlang des Flusses in einer
langen Reihe, fast nur in der Hohe und Färbung unter-
schieden, sich hinzogen. Er hatte gerade einen Brief an
einen sich im Ausland befindenden Jugendfreund been-
det, verschloß ihn in spielerischer Langsamkeit und sah
dann, den Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, aus
dem Fenster auf den Fluß, die Brücke und die Anhöhen
am anderen Ufer mit ihrem schwachen Grün.
Er dachte darüber nach, wie dieser Freund, mit seinem
Fortkommen zu Hause unzufrieden, vor Jahren schon
nach Rußland sich förmlich geflüchtet hatte. Nun be-
trieb er ein Geschä in Petersburg, das anfangs sich sehr
gut angelassen hatte, seit langem aber schon zu stocken
schien, wie der Freund bei seinen immer seltener wer-
denden Besuchen klagte. So arbeitete er sich in der
Fremde nutzlos ab, der fremdartige Vollbart verdeckte
nur schlecht das seit den Kinderjahren wohlbekannte
Gesicht, dessen gelbe Hautfarbe auf eine sich entwik-
[ ]
kelnde Krankheit hinzudeuten schien. Wie er erzählte,
hatte er keine rechte Verbindung mit der dortigen Kolo-
nie seiner Landsleute, aber auch fast keinen gesellscha-
lichen Verkehr mit einheimischen Familien und richtete
sich so für ein endgültiges Junggesellentum ein.
Was wollte man einem solchen Manne schreiben, der
sich offenbar verrannt hatte, den man bedauern, dem
man aber nicht helfen konnte. Sollte man ihm vielleicht
raten, wieder nach Hause zu kommen, seine Existenz
hierher zu verlegen, alle die alten freundschalichen Be-
ziehungen wieder aufzunehmen – wofür ja kein Hinder-
nis bestand – und im übrigen auf die Hilfe der Freunde
zu vertrauen? Das bedeutete aber nichts anderes, als daß
man ihm gleichzeitig, je schonender, desto kränkender,
sagte, daß seine bisherigen Versuche mißlungen seien,
daß er endlich von ihnen ablassen solle, daß er zurück-
kehren und sich als ein für immer Zurückgekehrter von
allen mit großen Augen anstaunen lassen müsse, daß nur
seine Freunde etwas verstünden und daß er ein altes
Kind sei und den erfolgreichen, zu Hause gebliebenen
Freunden einfach zu folgen habe. Und war es dann noch
sicher, daß alle die Plage, die man ihm antun müßte,
einen Zweck hätte? Vielleicht gelang es nicht einmal, ihn
überhaupt nach Hause zu bringen – er sagte ja selbst,
daß er die Verhältnisse in der Heimat nicht mehr ver-
stünde –, und so bliebe er dann trotz allem in seiner
Fremde, verbittert durch die Ratschläge und den Freun-
[ ]
den noch ein Stück mehr entfremdet. Folgte er aber
wirklich dem Rat und würde hier – natürlich nicht mit
Absicht, aber durch die Tatsachen – niedergedrückt, fän-
de sich nicht in seinen Freunden und nicht ohne sie
zurecht, litte an Beschämung, hätte jetzt wirklich keine
Heimat und keine Freunde mehr; war es da nicht viel
besser für ihn, er blieb in der Fremde, so wie er war?
Konnte man denn bei solchen Umständen daran denken,
daß er es hier tatsächlich vorwärts bringen würde?
Aus diesen Gründen konnte man ihm, wenn man
überhaupt noch die
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