Drucke zu Lebzeiten
derartige Aufwallung
gebracht, daß ich den Versuch nicht mehr wiederholen
werde.
Auch liegt ja, wenn man will, eine gewisse Verantwor-
tung auf mir, denn so fremd mir die kleine Frau auch ist,
und so sehr die einzige Beziehung, die zwischen uns
besteht, der Ärger ist, den ich ihr bereite, oder vielmehr
der Ärger, den sie sich von mir bereiten läßt, düre es
mir doch nicht gleichgültig sein, wie sie sichtbar unter
diesem Ärger auch körperlich leidet. Es kommen hie
[ ]
und da, sich mehrend in letzter Zeit, Nachrichten zu
mir, daß sie wieder einmal am Morgen bleich, übernäch-
tig, von Kopfschmerzen gequält und fast arbeitsunfähig
gewesen sei; sie macht damit ihren Angehörigen Sorgen,
man rät hin und her nach den Ursachen ihres Zustandes
und hat sie bisher noch nicht gefunden. Ich allein kenne
sie, es ist der alte und immer neue Ärger. Nun teile ich
freilich die Sorgen ihrer Angehörigen nicht; sie ist stark
und zäh; wer sich so zu ärgern vermag, vermag wahr-
scheinlich auch die Folgen des Ärgers zu überwinden;
ich habe sogar den Verdacht, daß sie sich – wenigstens
zum Teil – nur leidend stellt, um auf diese Weise den
Verdacht der Welt auf mich hinzulenken. Offen zu sa-
gen, wie ich sie durch mein Dasein quäle, ist sie zu stolz;
an andere meinetwegen zu appellieren, würde sie als eine
Herabwürdigung ihrer selbst empfinden; nur aus Wi-
derwillen, aus einem nicht auörenden, ewig sie antrei-
benden Widerwillen beschäigt sie sich mit mir; diese
unreine Sache auch noch vor der Öffentlichkeit zu be-
sprechen, das wäre für ihre Scham zu viel. Aber es ist
doch auch zu viel, von der Sache ganz zu schweigen,
unter deren unauörlichem Druck sie steht. Und so
versucht sie in ihrer Frauenschlauheit einen Mittelweg;
schweigend, nur durch die äußern Zeichen eines gehei-
men Leides will sie die Angelegenheit vor das Gericht
der Öffentlichkeit bringen. Vielleicht ho sie sogar,
daß, wenn die Öffentlichkeit einmal ihren vollen Blick
[ ]
auf mich richtet, ein allgemeiner öffentlicher Ärger ge-
gen mich entstehen und mit seinen großen Machtmitteln
mich bis zur vollständigen Endgültigkeit viel kräiger
und schneller richten wird, als es ihr verhältnismäßig
doch schwacher privater Ärger imstande ist; dann aber
wird sie sich zurückziehen, aufatmen und mir den Rük-
ken kehren. Nun, sollten dies wirklich ihre Hoffnungen
sein, so täuscht sie sich. Die Öffentlichkeit wird nicht
ihre Rolle übernehmen; die Öffentlichkeit wird niemals
so unendlich viel an mir auszusetzen haben, auch wenn
sie mich unter ihre stärkste Lupe nimmt. Ich bin kein so
unnützer Mensch, wie sie glaubt; ich will mich nicht
rühmen und besonders nicht in diesem Zusammenhang;
wenn ich aber auch nicht durch besondere Brauchbar-
keit ausgezeichnet sein sollte, werde ich doch auch ge-
wiß nicht gegenteilig auffallen; nur für sie, für ihre fast
weißstrahlenden Augen bin ich so, niemanden andern
wird sie davon überzeugen können. Also könnte ich in
dieser Hinsicht völlig beruhigt sein? Nein, doch nicht;
denn wenn es wirklich bekannt wird, daß ich sie gerade-
zu krank mache durch mein Benehmen, und einige Auf-
passer, eben die fleißigsten Nachrichten-Überbringer,
sind schon nahe daran, es zu durchschauen oder sie stel-
len sich wenigstens so, als durchschauten sie es, und es
kommt die Welt und wird mir die Frage stellen, warum
ich denn die arme kleine Frau durch meine Unverbesser-
lichkeit quäle und ob ich sie etwa bis in den Tod zu
[ ]
treiben beabsichtige und wann ich endlich die Vernun
und das einfache menschliche Mitgefühl haben werde,
damit aufzuhören – wenn mich die Welt so fragen wird,
es wird schwer sein, ihr zu antworten. Soll ich dann
eingestehn, daß ich an jene Krankheitszeichen nicht sehr
glaube und soll ich damit den unangenehmen Eindruck
hervorrufen, daß ich, um von einer Schuld loszukom-
men, andere beschuldige und gar in so unfeiner Weise?
Und könnte ich etwa gar offen sagen, daß ich, selbst
wenn ich an ein wirkliches Kranksein glaubte, nicht das
geringste Mitgefühl hätte, da mir ja die Frau völlig fremd
ist und die Beziehung, die zwischen uns besteht, nur von
ihr hergestellt ist und nur von ihrer Seite aus besteht. Ich
will nicht sagen, daß man mir nicht glauben würde;
Weitere Kostenlose Bücher