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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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derartige Aufwallung
    gebracht, daß ich den Versuch nicht mehr wiederholen
    werde.
    
    Auch liegt ja, wenn man will, eine gewisse Verantwor-
    tung auf mir, denn so fremd mir die kleine Frau auch ist,
    und so sehr die einzige Beziehung, die zwischen uns
    besteht, der Ärger ist, den ich ihr bereite, oder vielmehr
    der Ärger, den sie sich von mir bereiten läßt, düre es 
    mir doch nicht gleichgültig sein, wie sie sichtbar unter
    diesem Ärger auch körperlich leidet. Es kommen hie
    [  ]
    und da, sich mehrend in letzter Zeit, Nachrichten zu
    mir, daß sie wieder einmal am Morgen bleich, übernäch-
    tig, von Kopfschmerzen gequält und fast arbeitsunfähig
    gewesen sei; sie macht damit ihren Angehörigen Sorgen,
     man rät hin und her nach den Ursachen ihres Zustandes
    und hat sie bisher noch nicht gefunden. Ich allein kenne
    sie, es ist der alte und immer neue Ärger. Nun teile ich
    freilich die Sorgen ihrer Angehörigen nicht; sie ist stark
    und zäh; wer sich so zu ärgern vermag, vermag wahr-
     scheinlich auch die Folgen des Ärgers zu überwinden;
    ich habe sogar den Verdacht, daß sie sich – wenigstens
    zum Teil – nur leidend stellt, um auf diese Weise den
    Verdacht der Welt auf mich hinzulenken. Offen zu sa-
    gen, wie ich sie durch mein Dasein quäle, ist sie zu stolz;
     an andere meinetwegen zu appellieren, würde sie als eine
    Herabwürdigung ihrer selbst empfinden; nur aus Wi-
    derwillen, aus einem nicht auörenden, ewig sie antrei-
    benden Widerwillen beschäigt sie sich mit mir; diese
    unreine Sache auch noch vor der Öffentlichkeit zu be-
     sprechen, das wäre für ihre Scham zu viel. Aber es ist
    doch auch zu viel, von der Sache ganz zu schweigen,
    unter deren unauörlichem Druck sie steht. Und so
    versucht sie in ihrer Frauenschlauheit einen Mittelweg;
    schweigend, nur durch die äußern Zeichen eines gehei-
     men Leides will sie die Angelegenheit vor das Gericht
    der Öffentlichkeit bringen. Vielleicht ho sie sogar,
    daß, wenn die Öffentlichkeit einmal ihren vollen Blick
    [  ]
    auf mich richtet, ein allgemeiner öffentlicher Ärger ge-
    gen mich entstehen und mit seinen großen Machtmitteln
    mich bis zur vollständigen Endgültigkeit viel kräiger
    und schneller richten wird, als es ihr verhältnismäßig
    doch schwacher privater Ärger imstande ist; dann aber 
    wird sie sich zurückziehen, aufatmen und mir den Rük-
    ken kehren. Nun, sollten dies wirklich ihre Hoffnungen
    sein, so täuscht sie sich. Die Öffentlichkeit wird nicht
    ihre Rolle übernehmen; die Öffentlichkeit wird niemals
    so unendlich viel an mir auszusetzen haben, auch wenn 
    sie mich unter ihre stärkste Lupe nimmt. Ich bin kein so
    unnützer Mensch, wie sie glaubt; ich will mich nicht
    rühmen und besonders nicht in diesem Zusammenhang;
    wenn ich aber auch nicht durch besondere Brauchbar-
    keit ausgezeichnet sein sollte, werde ich doch auch ge- 
    wiß nicht gegenteilig auffallen; nur für sie, für ihre fast
    weißstrahlenden Augen bin ich so, niemanden andern
    wird sie davon überzeugen können. Also könnte ich in
    dieser Hinsicht völlig beruhigt sein? Nein, doch nicht;
    denn wenn es wirklich bekannt wird, daß ich sie gerade- 
    zu krank mache durch mein Benehmen, und einige Auf-
    passer, eben die fleißigsten Nachrichten-Überbringer,
    sind schon nahe daran, es zu durchschauen oder sie stel-
    len sich wenigstens so, als durchschauten sie es, und es
    kommt die Welt und wird mir die Frage stellen, warum 
    ich denn die arme kleine Frau durch meine Unverbesser-
    lichkeit quäle und ob ich sie etwa bis in den Tod zu
    [  ]
    treiben beabsichtige und wann ich endlich die Vernun
    und das einfache menschliche Mitgefühl haben werde,
    damit aufzuhören – wenn mich die Welt so fragen wird,
    es wird schwer sein, ihr zu antworten. Soll ich dann
     eingestehn, daß ich an jene Krankheitszeichen nicht sehr
    glaube und soll ich damit den unangenehmen Eindruck
    hervorrufen, daß ich, um von einer Schuld loszukom-
    men, andere beschuldige und gar in so unfeiner Weise?
    Und könnte ich etwa gar offen sagen, daß ich, selbst
     wenn ich an ein wirkliches Kranksein glaubte, nicht das
    geringste Mitgefühl hätte, da mir ja die Frau völlig fremd
    ist und die Beziehung, die zwischen uns besteht, nur von
    ihr hergestellt ist und nur von ihrer Seite aus besteht. Ich
    will nicht sagen, daß man mir nicht glauben würde;

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