Drucke zu Lebzeiten
man
würde mir vielmehr weder glauben noch nicht glauben;
man käme gar nicht so weit, daß davon die Rede sein
könnte; man würde lediglich die Antwort registrieren,
die ich hinsichtlich einer schwachen, kranken Frau gege-
ben habe, und das wäre wenig günstig für mich. Hier
wie bei jeder andern Antwort wird mir eben hartnäckig
in die Quere kommen die Unfähigkeit der Welt, in ei-
nem Fall wie diesem den Verdacht einer Liebesbezie-
hung nicht auommen zu lassen, trotzdem es bis zur
äußersten Deutlichkeit zutage liegt, daß eine solche Be-
ziehung nicht besteht und daß, wenn sie bestehen wür-
de, sie eher noch von mir ausginge, der ich tatsächlich
die kleine Frau in der Schlagkra ihres Urteils und der
[ ]
Unermüdlichkeit ihrer Folgerungen immerhin zu be-
wundern fähig wäre, wenn ich nicht eben durch ihre
Vorzüge immerfort gestra würde. Bei ihr aber ist je-
denfalls keine Spur einer freundlichen Beziehung zu mir
vorhanden; darin ist sie aufrichtig und wahr; darauf ruht
meine letzte Hoffnung; nicht einmal, wenn es in ihren
Kriegsplan passen würde, an eine solche Beziehung zu
mir glauben zu machen, würde sie sich soweit vergessen,
etwas derartiges zu tun. Aber die in dieser Richtung
völlig stumpfe Öffentlichkeit wird bei ihrer Meinung
bleiben und immer gegen mich entscheiden.
So bliebe mir eigentlich doch nur übrig, rechtzeitig,
ehe die Welt eingrei, mich soweit zu ändern, daß ich
den Ärger der kleinen Frau nicht etwa beseitige, was
undenkbar ist, aber doch ein wenig mildere. Und ich
habe mich tatsächlich öers gefragt, ob mich denn mein
gegenwärtiger Zustand so befriedige, daß ich ihn gar
nicht ändern wolle, und ob es denn nicht möglich wäre,
gewisse Änderungen an mir vorzunehmen, auch wenn
ich es nicht täte, weil ich von ihrer Notwendigkeit über-
zeugt wäre, sondern nur, um die Frau zu besänigen.
Und ich habe es ehrlich versucht, nicht ohne Mühe und
Sorgfalt, es entsprach mir sogar, es belustigte mich fast;
einzelne Änderungen ergaben sich, waren weithin sicht-
bar, ich mußte die Frau nicht auf sie aufmerksam ma-
chen, sie merkt alles derartige früher als ich, sie merkt
schon den Ausdruck der Absicht in meinem Wesen; aber
[ ]
ein Erfolg war mir nicht beschieden. Wie wäre es auch
möglich? Ihre Unzufriedenheit mit mir ist ja, wie ich
jetzt schon einsehe, eine grundsätzliche; nichts kann sie
beseitigen, nicht einmal die Beseitigung meiner selbst;
ihre Wutanfälle etwa bei der Nachricht meines Selbst-
mordes wären grenzenlos. Nun kann ich mir nicht vor-
stellen, daß sie, diese scharfsinnige Frau, dies nicht eben-
so einsieht wie ich, und zwar sowohl die Aussichtslosig-
keit ihrer Bemühungen als auch meine Unschuld, meine
Unfähigkeit, selbst bei bestem Willen ihren Forderungen
zu entsprechen. Gewiß sieht sie es ein, aber als Kämpfer-
natur vergißt sie es in der Leidenscha des Kampfes,
und meine unglückliche Art, die ich aber nicht anders
wählen kann, denn sie ist mir nun einmal so gegeben, be-
steht darin, daß ich jemandem, der außer Rand und Band
geraten ist, eine leise Mahnung zuflüstern will. Auf diese
Weise werden wir uns natürlich nie verständigen. Immer
wieder werde ich etwa im Glück der ersten Morgenstun-
den aus dem Hause treten und dieses um meinetwillen
vergrämte Gesicht sehn, die verdrießlich aufgestülpten
Lippen, den prüfenden und schon vor der Prüfung das
Ergebnis kennenden Blick, der über mich hinfährt und
dem selbst bei größter Flüchtigkeit nichts entgehen kann,
das bittere in die mädchenhae Wange sich einbohrende
Lächeln, das klagende Aufschauen zum Himmel, das Ein-
legen der Hände in die Hüen, um sich zu festigen, und
dann in der Empörung das Bleichwerden und Erzittern.
[ ]
Letzthin machte ich, überhaupt zum erstenmal, wie
ich mir bei dieser Gelegenheit erstaunt eingestand, einem
guten Freund einige Andeutungen von dieser Sache, nur
nebenbei, leicht, mit ein paar Worten, ich drückte die
Bedeutung des Ganzen, so klein sie für mich nach außen
hin im Grunde ist, noch ein wenig unter die Wahrheit
hinab. Sonderbar, daß der Freund dennoch nicht dar-
über hinweghörte, ja sogar aus eigenem der Sache an
Bedeutung hinzugab, sich nicht ablenken ließ und dabei
verharrte. Noch sonderbarer allerdings, daß er trotzdem
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