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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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in ihrem vollen
    Licht seit jeher lebe, vertrauensvoll und Vertrauen ver-
     dienend, und daß deshalb diese nachträglich hervorge-
    kommene leidende kleine Frau, die nebenbei bemerkt
    ein anderer als ich vielleicht längst als Klette erkannt und
    für die Öffentlichkeit völlig geräuschlos unter seinem
    Stiefel zertreten hätte, daß diese Frau doch schlimmsten-
     falls nur einen kleinen häßlichen Schnörkel dem Diplom
    hinzufügen könnte, in welchem mich die Öffentlichkeit
    längst als ihr achtungswertes Mitglied erklärt. Das ist der
    heutige Stand der Dinge, der also wenig geeignet ist,
    mich zu beunruhigen.
     Daß ich mit den Jahren doch ein wenig unruhig ge-
    worden bin, hat mit der eigentlichen Bedeutung der Sa-
    che gar nichts zu tun; man hält es einfach nicht aus,
    jemanden immerfort zu ärgern, selbst wenn man die
    Grundlosigkeit des Ärgers wohl erkennt; man wird un-
     ruhig, man fängt an, gewissermaßen nur körperlich, auf
    Entscheidungen zu lauern, auch wenn man an ihr Kom-
    men vernünigerweise nicht sehr glaubt. Zum Teil aber
    [  ]
    handelt es sich auch nur um eine Alterserscheinung; die
    Jugend kleidet alles gut; unschöne Einzelheiten verlieren
    sich in der unauörlichen Kraquelle der Jugend; mag
    einer als Junge einen etwas lauernden Blick gehabt ha-
    ben, er ist ihm nicht übelgenommen, er ist gar nicht 
    bemerkt worden, nicht einmal von ihm selbst, aber, was
    im Alter übrigbleibt, sind Reste, jeder ist nötig, keiner
    wird erneut, jeder steht unter Beobachtung, und der lau-
    ernde Blick eines alternden Mannes ist eben ein ganz
    deutlich lauernder Blick, und es ist nicht schwierig, ihn 
    festzustellen. Nur ist es aber auch hier keine wirkliche
    sachliche Verschlimmerung.
    Von wo aus also ich es auch ansehe, immer wieder
    zeigt sich und dabei bleibe ich, daß, wenn ich mit der
    Hand auch nur ganz leicht diese kleine Sache verdeckt 
    halte, ich noch sehr lange, ungestört von der Welt, mein
    bisheriges Leben ruhig werde fortsetzen dürfen, trotz
    allen Tobens der Frau.
    Ein Hungerkünstler
    In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hunger- 
    künstlern sehr zurückgegangen. Während es sich früher
    gut lohnte, große derartige Vorführungen in eigener Re-
    [  ]
    gie zu veranstalten, ist dies heute völlig unmöglich. Es
    waren andere Zeiten. Damals beschäigte sich die ganze
    Stadt mit dem Hungerkünstler; von Hungertag zu Hun-
    gertag stieg die Teilnahme; jeder wollte den Hunger-
     künstler zumindest einmal täglich sehn; an den spätem
    Tagen gab es Abonnenten, welche tagelang vor dem klei-
    nen Gitterkäfig saßen; auch in der Nacht fanden Besich-
    tigungen statt, zur Erhöhung der Wirkung bei Fackel-
    schein; an schönen Tagen wurde der Käfig ins Freie ge-
     tragen, und nun waren es besonders die Kinder, denen
    der Hungerkünstler gezeigt wurde; während er für die
    Erwachsenen o nur ein Spaß war, an dem sie der Mode
    halber teilnahmen, sahen die Kinder staunend, mit offe-
    nem Mund, der Sicherheit halber einander bei der Hand
     haltend, zu, wie er bleich, im schwarzen Trikot, mit
    mächtig vortretenden Rippen, sogar einen Sessel ver-
    schmähend, auf hingestreutem Stroh saß, einmal höflich
    nickend, angestrengt lächelnd Fragen beantwortete,
    auch durch das Gitter den Arm streckte, um seine Ma-
     gerkeit befühlen zu lassen, dann aber wieder ganz in sich
    selbst versank, um niemanden sich kümmerte, nicht ein-
    mal um den für ihn so wichtigen Schlag der Uhr, die das
    einzige Möbelstück des Käfigs war, sondern nur vor sich
    hinsah mit fast geschlossenen Augen und hie und da aus
     einem winzigen Gläschen Wasser nippte, um sich die
    Lippen zu feuchten.
    Außer den wechselnden Zuschauern waren auch stän-
    [  ]
    dige, vom Publikum gewählte Wächter da, merkwürdi-
    gerweise gewöhnlich Fleischhauer, welche, immer drei
    gleichzeitig, die Aufgabe hatten, Tag und Nacht den
    Hungerkünstler zu beobachten, damit er nicht etwa auf
    irgendeine heimliche Weise doch Nahrung zu sich neh- 
    me. Es war das aber lediglich eine Formalität, eingeführt
    zur Beruhigung der Massen, denn die Eingeweihten
    wußten wohl, daß der Hungerkünstler während der
    Hungerzeit niemals, unter keinen Umständen, selbst un-
    ter Zwang nicht, auch das Geringste nur gegessen hätte; 
    die Ehre seiner Kunst verbot dies. Freilich, nicht jeder
    Wächter konnte das begreifen, es

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