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Drüberleben

Drüberleben

Titel: Drüberleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Weßling
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und die signalisieren, dass dieses Bett in Beschlag genommen wurde, dass es kein einfaches Krankenhausbett mehr ist, sondern jetzt jemandem gehört. An der Wand hängen zwei mit Reißzwecken angebrachte Bilder, die beide schwarzweiß sind und öde Wüsten zeigen. Auf dem Nachttisch liegen drei Bücher, und ein Wasserglas steht gefährlich nah am Rand des Tischchens.
    Früher oder später wird also jemand diesen Raum betreten, wird sich auf das Bett legen und vielleicht mit mir zusammen die Decke anstarren, die uns dabei zusieht, wie wir sie anschauen, und es wird ihr egal sein, der Decke, ganz egal, von wem sie angesehen wird und wie lange. Es wird einfach egal sein.
    Vielleicht werden die Person und ich ja Freundinnen, vielleicht werden wir uns unterhalten, nächtelang, über all die Dinge und Punkte und Menschen, die daran schuld sind, dass wir hier in dieser Gemeinschaftszelle mit Schlüsseln in der Hand sitzen und jederzeit gehen könnten, und die Frau und ich würden in all den Nächten herausfinden, wie ähnlich wir uns sind, wie ähnlich wir denken und fühlen, auch wenn wir nur erahnen können, ob die gleichen Worte und Umschreibungen für etwas auch bedeuten, dass man wirklich das Gleiche empfindet.
    Wie sehr wir uns bemühen würden, die richtigen Worte zu finden, und wie sehr wir uns bemühen würden, immer wieder zu diesem Punkt zurückzukommen, der sich so wohlig warm und vertraut anfühlt, dieser Punkt der Gemeinsamkeit, der Gänze, dieser » Ach, das ist bei mir genauso!«-Punkt, dem wir hinterherjagen würden in all unseren Erzählungen, immer hoffend, dass wir mit uns nicht allein sein müssen, immer hoffend, dass die andere sagt, dass es ihr genauso ergeht, so und nicht anders. Wie sehr wir dieses Gefühl mögen würden, dieses Gefühl, nie mehr allein sein zu müssen, denn da gibt es ja jemanden, der das Gleiche fühlt, und wenn es schon einen gibt, der sich so fühlt, dann gibt es vielleicht ganz viele, dann sind wir nicht einsam, sondern viele, und » viele«, das wäre ja schon fast » alle«, und das heißt ja schon beinahe, dass wir gar nicht so anders sind, wie wir gerne wären oder eben auch nicht gerne wären, je nachdem, wie schick unsere Macke gerade aussieht, und je nachdem, wie sexy sie jemand findet.
    Denn es passiert ja so schnell, dass da jemand kommt und sagt, dass er dich liebt, er liebt alles an dir, so sehr, ja ja, ganz bestimmt, Schatz. Er mag dann deine Cellulite und deinen Schwabbelbauch, und dass du im Schlaf grunzt, das mag er auch. Er findet deine Wutausbrüche temperamentvoll, und deine Panikattacken sind nur ein Zeichen deiner Sensibilität, und plötzlich denkst du, dass das stimmen könnte, und du wirst süchtig danach, dich durch seine Augen zu sehen und den Dreck deiner Seele, der so schön glänzt, wenn er über seine Harmlosigkeit spricht. Alles, was dir vorher so unerträglich hässlich erschien, so wenig ansehenswert, so sehr versteckenswert, wird in sein Gegenteil verkehrt, wird durch seine Augen schön und interessant und besonders. Er liebt deine Macken, weil er sie für solche hält und weil er noch gar nicht weiß, was ihm noch blüht, aber bis er das herausfinden wird, schaust du dich durch seine Augen wie durch ein Fernglas an, schaust dir zu aus sicherer Entfernung und gibst dir Mühe, dass er erst einmal nicht zu nah an dich herankommt, damit der schöne, distanzierte Blick nicht verloren geht, denn sein Verlust ist dein Verlust.
    Ich liege auf dem Bett und fühle die Matratze wie das klopfende Herz unter dem Dielenboden und weiß nicht, wie ich mich bewegen soll, weiß nicht, wie ich nur einen Schritt auf dem Boden vor dem Bett machen soll, und selbst wenn ich es wüsste, so bestimmt nicht, wohin dieser Schritt und alle seine folgenden gehen sollen.
    Ich müsste mich aus dem Bett bewegen, müsste vielleicht aus dem Zimmer gehen und nach anderen Menschen suchen, besonders nach denen, die ich zu Freunden machen kann, damit ich schnell damit anfangen kann, nachts mit ihnen zu reden und mich nicht mehr allein zu fühlen.
    Ich müsste die Tasche auspacken, auf jeden Fall die Tasche auspacken und die Koffer auch, damit ich mich » zu Hause« fühlen kann, damit ich meine Spuren in diesem Zimmer wie Pisse an einem Baum hinterlassen kann, damit ich mein Revier markiere und auch irgendwann so ein Bett mit eigenen Kissen darauf haben werde. Ich fühle mit der Hand nach, ob die Tasche noch neben mir auf dem Bett liegt, und tatsächlich, sie hat sich nicht

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