Druidenherz
zurückzudrängen. Wenigstens schien Imogen nun nicht mehr in Lebensgefahr zu schweben. Sie schlief ruhig.
Dian lauschte auf ihre Atemzüge und legte eine Hand an ihren Hals, um den Puls zu fühlen. Stark und gleichmäßig. Ebenso spürte er die Stärke ihrer Lebensenergie. Gut. Wenn sie schlief, würde sich ihr Körper weiter regenerieren und hoffentlich auch die Magie abbauen.
Dian hatte keine Ahnung, was der starke Zauber bei ihr angerichtet hatte. Als sie aufgewacht war, hatte sie zwar normal gewirkt, aber das musste nichts heißen. Sicher war er sich nur in dem Punkt, dass immer noch eine starke Verbindung zwischen ihnen bestand. Sonst würde sie sich nicht beruhigen, wenn er sie an sich zog, und auch nicht so rasch auf seine Stimme reagieren. Nun, erst einmal war es wichtig, dass sie sich erholte. Um den Zauber konnte er sich später noch kümmern. Wie man ihn löste oder abschwächte, wusste er nicht, aber im Moment wirkte er ja nicht einmal nachteilig.
Sanft streichelte er über ihren unverletzten Arm. Ihre Haut fühlte sich ein wenig kühl an, daher legte sich Dian wieder dicht neben sie und gab ihr von seiner Körperwärme ab. Gleichzeitig rief er in Gedanken nach Gwyd.
Der Diener erschien unverzüglich. »Was wünschst du, Herr?«
»Still!«, zischte Dian. Er spürte, wie sich Imogen neben ihm regte. Sie brauchte den heilsamen Schlaf, und außerdem war es besser, wenn sie Gwyd nicht zu sehen bekam. Jedenfalls nicht im Moment. Sie hatte durch Beathan und Carney schon weitaus mehr mitbekommen, als sie sollte.
Gwyds Blick glitt zu Imogen, dann zurück zu Dian. Schweigend wartete er auf eine Anweisung.
Dian unterdrückte ein Seufzen. Zwar vermochte er Gwyd ohne Worte zu rufen, doch Befehle musste er fast immer laut aussprechen. »Schüre ein Feuer. Es ist viel zu kalt hier.«
Gwyd nickte. Lautlos trat er in die Ecke, nahm das Kohlenbecken und verließ das Zimmer. Gleich darauf kehrte er mit neuem Brennmaterial zurück. Er murmelte leise vor sich hin. Die Kohlen begannen zu glühen.
»Was …«, erklang eine Stimme neben Dian, gefolgt von einem erschreckten Keuchen.
Er blickte Imogen an. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Gwyd an.
»Er sorgt nur dafür, dass du nicht frierst«, sagte Dian ruhig. In dem matten Licht würde sie keine Einzelheiten erkennen können. Auf die Entfernung und im Halbdunkel erschiene Gwyd ihr wie ein sehr junger Mann, der eben nicht groß war. Für einen Angehörigen seines Volks war er zwar normal gewachsen, aber das konnte Imogen nicht wissen. Und auch in ihrer Welt gab es Kleinwüchsige.
»Er ist … anders«, flüsterte sie.
Dian lächelte. Gut beobachtet. »Ja«, sagte er ebenso leise, »aber das sag ihm bitte nicht.«
»Ich meine nicht seine Größe. Da ist etwas an ihm …«
Oh, spürte sie tatsächlich, dass Gwyd ein wenig Magie besaß und dem Feenvolk angehörte? »Er ist mein Diener und recht scheu Fremden gegenüber.«
Leider drehte sich Gwyd genau in diesem Moment um und sah Dian fragend an. Durch seine empathische Gabe spürte der Feenmann Imogens Gefühle. Und Imogen hatte einen perfekten Blick auf seine feinen Gesichtszüge mit den leicht geschwungenen Augenbrauen und den filigranen, spitz zulaufenden Ohren.
5
Imogen blinzelte, doch der … Mann war immer noch dort. Was war mit ihm passiert? War er ein Freak, der sich hatte umoperieren lassen? Das gab es – manche fanden es schick, eine gespaltene Zunge, spitze Eckzähne oder sonstige absichtlich herbeigeführte Anomalien zu besitzen. Und obwohl Imogen solche Spleens zu tolerieren vermochte, schauderte sie innerlich doch bei dem Gedanken, dass sich jemand absichtlich einem solchen Eingriff unterzog.
Aber vielleicht hatte der kleine Mann darin eine Möglichkeit gesehen, Geld zu verdienen. Obwohl die Zeiten, in denen man Zwerge, Wolfsmenschen und Gefangene aus fernen Ländern auf Jahrmärkten zur Schau stellte, vorbei waren, gab es doch immer noch Kleinwüchsige, die ihre Größe nutzten, um eine Arbeit beim Film, auf der Bühne oder in einem Zirkus zu finden. Und jemand, der noch dazu einen solchen Elfen-Look zur Schau trug, fiel sicher noch mehr auf. Allerdings wirkte er gar nicht, als wollte er auffallen. Still hielt er sich so im Hintergrund, dass es leichtfiel, seine Anwesenheit zu vergessen.
Ich darf ihn nicht anstarren, befahl sich Imogen und schämte sich dafür, derart unverhohlen geglotzt zu haben. Aber wenn sie sich jetzt dafür entschuldigte, machte sie es nur noch schlimmer. Am
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