Druidenherz
gesickert und hatte mehrere große dunkle Flecken hinterlassen. Was diese Stelle anging, hatte Beathan also die Wahrheit gesagt.
Voller Zorn ballte Dian die Hände zu Fäusten. Er verabscheute sinnlose Gewalt. Diese Verletzungen waren ihr absichtlich zugefügt worden, weil Carney die Hunde nicht zurückgepfiffen hatte, nachdem sie Imogen angegriffen hatten. Er hatte zugelassen, dass sie gebissen wurde, obwohl er wissen musste, dass es auch tödlich hätte ausgehen können. Und dann hatten er und Beathan sie in diesen Käfig gesteckt und dort verletzt, ohne Wasser liegen gelassen. Und auf ihren Tod gewartet. Sie hatten nicht einmal eingegriffen, als ihnen bewusst gewesen sein musste, dass sie in Lebensgefahr schwebte – was sie immer noch tat. Obwohl es ihr besser ging, wusste Dian, wie dünn ihr Lebensfaden war. Jederzeit konnte sich ihr Zustand verschlechtern; die Wunden könnten sich erneut entzünden oder das Fieber sie innerlich verbrennen. Und ob er ihr dann noch einmal helfen konnte, bezweifelte er. Es gab Kranke, die an weitaus geringeren Verletzungen oder Leiden starben und bei denen keine Magie mehr half.
Doch er war entschlossen, dafür zu sorgen, dass Imogen es schaffte. Schon allein, um seine Neugier zu befriedigen. Nur sie konnte ihm sagen, wie sie als lebendige Frau nach Annwn hatte gelangen können. Nie zuvor war das jemandem geglückt, zumindest nicht, wenn derjenige nicht magisch begabt war. Und die hatten es ganz bewusst getan, während er bei der Fremden den Eindruck hatte, dass sie keine Ahnung hatte, wo sie sich befand und gar nicht nach Annwn gewollt hatte. Das machte alles nur noch rätselhafter. Hatten die Götter vielleicht ihre Hände im Spiel? Aber sie waren doch schon seit ewigen Zeiten nicht mehr in Erscheinung getreten.
Außerdem musste er überlegen, was mit ihr geschehen sollte. Wenn sie zwischen den Welten wandeln konnte, ebenso wie er, war es ausgeschlossen, sie einfach gehen zu lassen. Zumal sie sich der Gefahren in Annwn gar nicht bewusst zu sein schien.
Dian stellte sich unter den Eingang und konzentrierte sich. Er spürte, wie sein Körper schwerelos wurde, sich auflöste und emporschwebte. Es geschah allein durch seinen Willen. Anfangs hatte er dazu noch eine längere Vorbereitung gebraucht, etwa einen Trank, der die Magie verstärkte. Außerdem musste er seine Furcht überwinden, denn es bestand immer die Möglichkeit, im Zwischenreich zu landen, aus dem man ebenso wenig entkam wie aus dem Land des Vergessens. Erst mit der Zeit war es für ihn zur Normalität geworden, und nun war es nicht viel anders, als beträte er einen Raum.
Der Übergang blieb immer ein wenig unangenehm und ging mit einem Schwindelgefühl einher. Dian benötigte einen Moment, um sich zu orientieren und sein Gleichgewicht wiederzufinden, ehe er sich manifestierte. Er hatte herausgefunden, dass es so besser war. Körperlos verschwand es schneller.
Schon spürte er, wie seine Stärke zurückkehrte und ihm erlaubte, sich umzusehen.
Er befand sich in einer Senke. Deutlich konnte er die vom unsichtbaren Tor ausgehende Energie spüren, aber ein Mensch würde das nicht bemerken. Der Boden und seine feinen Sinne zeigten ihm, dass hier erst vor Kurzem ein Schäfer mit seiner Herde und Hütehunden entlanggegangen war. Dieser Weg wurde oft von einzelnen Menschen und Tieren benutzt. Dian spürte weitere Echos von Lebewesen, schwächer als jene von denen, die ihn erst kürzlich passiert hatten.
Doch weder der Mann noch seine Tiere waren dabei durch den Eingang geraten. Dian konnte keine gesteigerten Emanationen wahrnehmen. Nein, dieses Tor in die Unterwelt war sicher, niemand würde den Weg hinein finden. Oder zumindest hätte es so sein sollen – inzwischen wusste Dian es besser, und es gefiel ihm überhaupt nicht.
Er hatte gern die Kontrolle über alles. In Annwn wurde er hoch geachtet, er konnte sich gegen seine Feinde verteidigen und war ein begabter Heiler. Doch hier zu stehen und nicht zu wissen, wie es einer menschlichen Frau möglich gewesen war, lebendig und ohne Magie in seine Welt zu gelangen, fuchste ihn. Dazu kam, dass damit eine neue Bedrohung auftauchte. Nicht durch Imogen selbst, sie war nicht böse. Aber was ihr gelungen war, würden vielleicht auch andere schaffen.
Er sollte zusätzliche Wachen aufstellen. Diesen Eingang konnten Beathan und Carney bewachen, jedenfalls dann, wenn sie die Hunde unter Kontrolle hielten. Bei den anderen Toren würde er sicherheitshalber auch Leute postieren.
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