Drunter und Drüber
warf sie in den Hof. Tate sammelte sie ein, karrte sie zu der ihm von J.D. zugewiesenen Stelle und stapelte sie ordentlich übereinander auf.
Als er sich schließlich wieder vom Dach schwang, war sein T-Shirt unter den Achseln, über der Brust, dem Bauch und am Rücken vollkommen verschwitzt. Er zog es sich über den Kopf, warf es achtlos auf die Seite und verzog den Mund zu einem amüsierten Lächeln, als Tate dem Beispiel folgte und seine schmale, völlig trockene Brust ebenfalls entblößte.
»Du leistest hervorragende Arbeit«, lobte er den Jungen und fuhr sich mit dem Unterarm über die schweißbedeckte Stirn. »Was hältst du von einer Pause?«
Der Kleine ahmte auch diese Geste sofort nach. »Gute Idee.«
Ein paar Minuten später öffnete J.D. den Kühlschrank und wandte sich an Tate. »Wie wär’s mit einem Bier?«
Tates Augen begannen zu leuchten und er sah sein großes Vorbild mit dem für ihn typischen strahlenden Lächeln an.
»Na klar!«
J.D. griff nach zwei Flaschen Malzbier, reichte eine Tate und stieß fröhlich mit ihm an. »Prost, Kumpel!«
Sie kehrten mit den Getränken zurück in den Hof und setzten sich gemütlich in die Sonne. J.D. nahm einen tiefen Schluck, legte sich rücklings ins Gras, schloss zufrieden seine Augen und stellte die kühle Flasche auf seinen nackten Bauch. Er spürte, dass Tate sofort das Gleiche machte, und konnte nicht verhindern, dass er abermals den Mund zu einem Lächeln verzog.
Eine Zeit lang lagen sie beide schweigend da, dann richtete Tate sich plötzlich auf. »J.D.?«
J.D. spürte, dass das Kind ihn musterte, klappte seine Augen deshalb jedoch nicht auf. »Ja?«
»Sind Sie ein Bastard?«
J.D.'s Oberkörper schnellte in die Höhe und er bedachte Tate mit einem kalten Blick. »Hat das deine Mutter über mich gesagt?«
»Nein!« Tate wich so eilig vor ihm zurück, dass er dabei seine Flasche umwarf, deren Inhalt gluckernd auslief. Seine Augen waren schreckgeweitet und seine Lippen bebten, zugleich jedoch reckte er das Kinn auf eine Art nach vorne, die J.D. an seine Mutter denken ließ. »I-ich selber bin ein Bastard, und ich dachte einfach, dass Sie vielleicht, äh, auch ein Bastard sind.«
J.D. wurde starr. Na klasse, Carver, schalt er sich. Du solltest dich bei deinem Geschick mal unten im Schwimmbad blicken lassen. Schließlich gibt es dort jede Menge kleiner Kinder, die du in Angst und Schrecken versetzen kannst.
»Tut mir Leid«, erklärte er mit sanfter Stimme und richtete die umgefallene Flasche wieder auf. Er zuckte zusammen, als Tate erneut vor ihm zurückwich, reichte ihm jedoch freundlich sein Getränk. »Tut mir Leid, Tate. Ich hätte dich nicht derart anfahren sollen.«
»Schon gut.« Nach einem Augenblick erneuter Stille meinte der Junge mit zögerlicher Stimme: »Das war das erste Mal, dass Sie mich mit meinem Namen angeredet haben.«
»Ehrlich?«
Tate setzte sich in den Schneidersitz und nahm einen Schluck von dem übrig gebliebenen Malzbier. Dabei gewann er sichtlich sein gewohntes Selbstvertrauen zurück. »Das war das erste Mal, dass Sie mich Tate genannt haben. Normalerweise nennen Sie mich immer ›Kumpel‹«
»Ach tatsächlich?«, J.D. fixierte den Jungen. »Weshalb in aller Welt denkst du, du bist ein Bastard?«
»Im Supermarkt unten im Dorf habe ich mal gehört, wie Kathleen Harris das zu Marylou Zeka gesagt hat, und als ich Mom gefragt habe, was das bedeutet, hat sie mir erklärt, das wäre ein unhöfliches Wort, mit dem unwissende Leute mich bezeichnen, weil sie, als ich auf die Welt kam, nicht verheiratet war.« Er legte den Kopf auf die Seite. »Also, sind Sie auch ein Bastard?«
»Ich wurde bereits ziemlich häufig so genannt, obwohl meine Eltern verheiratet gewesen sind.« Der Gedanke, dass Dru ihn nicht als Bastard bezeichnet hatte, brachte ihn ins Schleudern. »Ungefähr fünf Minuten verheiratet«, schränkte er leicht übertrieben ein. »Aber du weißt doch wohl, dass es wesentlich schlimmere Dinge gibt, oder? Deine Mom, deine Oma und dein Opa sind vollkommen verrückt nach dir.«
Tate zuckte mit den Schultern, als wäre die Liebe, die er von diesen Menschen entgegengebracht bekam, das Normalste auf der Welt. »Sicher.«
»Tja, ich hoffe, dass du das zu schätzen weißt, denn das ist sehr viel. Ich hätte ebenso gut ein Bastard sein können, denn mein Vater ist für mich nicht mehr als ein Name, der mehr oder weniger zufällig auf meiner Geburtsurkunde steht. Er und meine Mom waren beide drogenabhängig und er
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